Aquaristik ohne Geheimnisse

Der pH-Wert
Dr. Gerd Kassebeer  10.98: AH 2/99, S. 329/033

Zuviel Phosphat im Aquarium?

Bei Gesprächen unter Aquarianern kommt häufig die Frage: Warum wachsen meine Pflanzen nicht? Einer der Gründe ist die zu hohe Phosphatkonzentration. Deren Ursache und Wirkung werden hier erörtert sowie Wege zur Reduzierung gezeigt.

1.) Messung des Phosphats und Interpretation des Resultats

Die meisten Aquarianer wissen gar nicht, wieviel Phosphat in ihrem Aquarienwasser ist. Wenige besitzen einen Tropftest zur Messung von Phosphat, und wenige von denen benutzen ihn auch. Phosphat ist eine Komponente, die leicht und sicher analysiert werden kann, aber kaum jemand tut es trotz ihrer Bedeutung!

Hat man hingegen gemessen und z. B. 5 mg PO4/L gefunden, so weiß man im Grunde nicht, was es bedeuten soll! Keiner weiß so recht, welche Konzentration nun zu hoch ist, zu niedrig oder optimal. Manche Aquarien mit 10 mg PO4/L gedeihen wunderbar, andere mit 0,5 mg PO4/L sind voller Pinselalgen. Die Sache ist nicht einfach!

2.) Bedeutung des Phosphats bei natürlichen Süßgewässern und im Boden

Die Literatur ist etwas widersprüchlich. In einem Buch über Pflanzenernährung (A. Amberger: Pflanzenernährung. 4.Aufl., Stuttgart 1996) liest man von einem Optimalwert von 2 mg PO4/L in der Bodenlösung. Nach Angaben von L. H. Hütter: WASSER UND WASSERUNTERSUCHUNG, 6. Aufl., Frankfurt 1994, S. 98, liegt der kritische Bereich bei Seen und Talsperren bei etwa 0,005 - 0,01 mg P/L (~ 0,015 - 0,03 mg PO4/L), bei langsam fließenden Gewässern bei 0,1 - 0,2 mg P/L (~ 0,3 - 0,6 mg PO4/L).

Werden die kritischen Bereiche erreicht oder überschritten, so gilt das Gewässer als eutroph (d. h., es enthält genügend Nährstoffe für starkes Wachstum von Algen und höheren Wasserpflanzen).

In natürlichen Süßgewässern ist Phosphor meistens der limitierende (begrenzende) Faktor für das Pflanzenwachstum. Alle anderen Makronährelemente, Wie Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Calcium, Magnesium, Schwefel sowie die Mikronährelemente sind in den natürlichen Gewässern meistens keine limitierenden Faktoren. In der Bodenlösung gibt es keine Konkurrenz von Algen bei der Kultur von Nutzpflanzen, vom Reis einmal abgesehen, dagegen aber im Aquarium.

3.) Bedeutung des Phosphats im Aquarium

Man kann Aquarien in zwei Gruppen teilen. Der weitaus größte Teil enthält 1 mg PO4/L oder mehr. Ein kleiner Teil enthält weniger als 1 mg PO4/L bis kein Phosphat. Die erste Gruppe sind die Fischaquarien, die zweite die Pflanzenaquarien. Bei der ersten Gruppe überwiegt die Zufuhr von Phosphorverbindungen durch das Fischfutter, bei der zweiten Gruppe die Phosphoraufnahme durch die Pflanzen. Ideal wäre ein Gleichgewicht. Das ist praktisch auf die Dauer nur mit Wasserpflege zu erreichen. Je nach den Randbedingungen stellt sich entweder ein sehr hoher stabiler Wert oder ein sehr niedriger stabiler Wert ein. Ein idealer Wert von z. B. 0,5 mg PO4/L ist nur durch ständige Eingriffe aufrechtzuerhalten.

Ist der Wert zu hoch, so muß er reduziert werden. Ist er dagegen zu niedrig, wie bei Aquarien mit üppigem Pflanzenwuchs bei guter Beleuchtung und CO 2-Düngung, so muß neben dem Aquariendünger noch Volldünger gegeben werden, um auch die Ernährung mit Phophat sicherzustellen.

4.) Vom Fischfutter über das gelöste Phosphat wohin?

Fischfutter besteht zu einem beachtlichen Teil aus Proteinen und enthält etwa 0,5 - 1 % des Trockengewichts an Phosphor (P). Das Fischfutter wird vom Fisch verdaut, zu einem kleinen Teil zum Aufbau der Körpersubstanz verbraucht, zum großen Teil mehr oder weniger verdaut ausgeschieden. Die Bakterienflora des Aquariums besorgt den Rest. Sie zerlegt die organischen Stoffe zu Mineralstoffen. Dabei entsteht aus den organischen Phosphorverbindungen Phosphat, das zunächst im Aquarienwasser gelöst vorliegt. Vorsichtig geschätzt entstehen aus 100 mg Trockenfutter 2 mg Phosphat (PO4). In gut gefütterten Aquarien wurden bis zu 0,5 mg PO4/L Anstieg pro Woche gemessen. Bei einem Becken mit 100 Liter Inhalt sind das 50 mg PO4 pro Woche!

5.) Wege des Phophats im Aquarium

Ein kleiner Teil des mit dem Futter zugeführten Phosphors bleibt im Fisch, ein Teil bleibt in der Bakterienmasse. Ein Teil des Phosphors wird durch Pflanzen aufgenommen, ein Teil geht durch Fällung bzw. Adsorption in den Filterschlamm. Mit dem Wasserwechsel, dem Abernten der Pflanzen, dem Entfernen toter Fische, dem Reduzieren des Schlamms und Mulms wird Phosphor aus dem Aquarium entfernt. Das gemessene Phophat im Aquarienwasser ist die Bilanz dieser Vorgänge. Durch geeignete Maßnahmen können wir sie beeinflussen.

6.) Die "Schädlichkeit" des Phosphats gegenüber Pflanzen

Die Schädlichkeit von Phosphat in Süßgewässern wurde schon besprochen. Im Aquarium kann es zu intensivem Wachstum verschiedener Algenarten kommen, z. B. Blaualgen, Grünalgen, Pinselalgen. Eine häufige Folge hoher Phosphatkonzentrationen ist kräftiges Wachstum schwarzer Pinselalgen auch auf Pflanzen und Stagnation des Pflanzenwachstums. Die vermutliche Ursache fand ich bei W. Bergmann: Ernährungsstörungen bei Kulturpflanzen. 2. Aufl. Stuttgart 1988. Er schreibt, daß die Aufnahme und der Transport von Zink und Eisen in der Pflanze durch viel Phosphat behindert wird. Hierdurch gewinnen niedere Planzen (Algen) gegenüber höheren Pflanzen aufgrund ihrer primiveren Konstruktion einen Vorteil. Das gilt allerdings nur im neutralen bis schwach alkalischen Milieu. Im schwach sauren Milieu stören hohe Phosphatkonzentrationen offenbar nicht so sehr. Das deckt sich auch mit meinen Beobachtungen und Messungen. Es erklärt auch die anfangs zitierten gegensätzlichen Befunde.

7.) Reduzierung von Phosphat durch Wasserwechsel

Wechsele ich z. B. wöchentlich 20 % des Aquarienwassers und habe einen wöchentlichen Anstieg von 0,5 mg PO4/L, so stellt sich vor dem Wasserwechsel eine Konzentration von 2,5 mg PO4/L ein, der durch Wasserwechsel auf 2,0 mg PO4/L sinkt. Die entfernte Wassermenge enthält die Phosphatmenge, die in der Woche dazugekommen ist. Je nach wöchentlichem Anstieg und der Wechselquote nehme ich gezielten Einfluß auf die resultierende Phosphatkonzentration.<

8.) Einfluß von täglicher Futtermenge und von wüchsigen Pflanzen

Durch Halbierung der täglichen Futtermenge läßt sich nach einigen Wochen auch etwa eine Halbierung der Phosphatkonzentration feststellen. Ist man in der Nähe des Idealpunktes, so ist der Effekt noch stärker. Hilfreich ist auch die Reduktion des Fischbesatzes oder der Übergang zu Arten, die sich von Mulm und Aufwuchs ernähren. Besonders einige Wasserpflanzenfreunde bevorzugen Fischarten, wie lebendgebärende Wildformen, die man praktisch nicht zu füttern braucht.

Der Einsatz schnellwüchsiger Pflanzen und deren regelmäßige wöchentliche Ernte führt zu einem starken Austrag von Phosphat, da Wasserpflanzen ja Phosphat 100 bis 1000fach im Pflanzensaft anreichern, sowie auf verschiedene Weise fixieren. Diese Methode ist zwar effektiv, aber mit Arbeit verbunden. Man muß viel gärtnern. Außerdem funktioniert sie nur bei gut beleuchteten Aquarien. Bei den üblicherweise schlecht beleuchteten Standardaquarien ist diese Methode kaum erfolgreich.

9.) Erscheinungsformen des Phosphats

Wir geben das gemessene Phosphat stets als PO4 an, obwohl das im Aquarienwasser gelöste Phosphat als Dihydrogenphosphat H2PO41- und als Hydrogenphosphat HPO42- vorliegt. Bei pH 7,2 ist das Verhältnis 1 : 1, bei pH 6,2 ist es 10 : 1, bei pH 8,2 ist es 1 : 10.
pH-Wert 6,2 7,2 8,2
Verhältnis H2PO41- / HPO42- 10 1 0,1

Dieses pH-abhängige Gleichgewicht spielt möglicherweise bei der Pflanzenschädlichkeit eine Rolle, weil im Pflanzensaft ein ähnliches Verhältnis vorliegt wie außerhalb der Pflanze. Beide Ionenarten werden von der Pflanze aufgenommen, und zwar durch einen aktiven (energieverbrauchenden) Aufnahmeprozeß, der zu einer Aufkonzentrierung um das 100- bis 1000-fache im Pflanzensaft führt. Dieser Mechanismus hat in der Natur seinen Sinn, da Phosphat dort meistens nur in geringer Konzentration zur Verfügung steht. Bei reichlichem Phosphat-Angebot im Aquarium führt das zu Problemen bei manchen Pflanzen.

Innerhalb der Pflanzen kommen beide Ionenarten zwar auch in hoher Konzentration vor, aber der größere Teil ist in vielen Verbindungen organisch gebunden, z. B. in den Membranen der Zellen. Gespeichert wird Phosphat von der Pflanze hauptsächlich als wasserunlösliches Phytin. Manche Bakterienarten speichern es als Volutin-Granula (Polyphosphate).

Wir können davon ausgehen, daß der meiste Phosphor im Aquarium in Fischen, Pflanzen und Bakterien enthalten ist, und nur ein kleiner Teil im Aquarienwasser gelöst. In neutralem und schwach alkalischem Milieu ist Calciumhydrogenphosphat CaHPO4 schwerlöslich. Dadurch wird der Phosphatgehalt je nach Calciumkonzentration und pH auf etwa 5 mg PO4/L begrenzt, weil das überschüssige Phosphat ausgefällt wird.

10.) Einsatz von Chemie zur Phosphatreduktion

Seit vielen Jahren kombiniere ich den wöchentlichen Wasserwechsel mit dem Zusatz von Eisen-(III)-chloridlösung, das inzwischen als DUPLA-CRYSTAL im Zoofachhandel erhältlich ist. Pro 15 Liter-Eimer Frischwasser verwende ich 20 Tropfen. Das reduziert die Karbonathärte von 7 auf 5,9 °dKH, d. h. um 1,1 °dKH oder 0,4 Millimol pro Liter, einen ungefährlichen Betrag. Das Wasser wird dadurch weißlich bis bräunlich trübe. Je nach Leistungsfähigkeit des Filters ist das Wasser nach 0,5 bis 3 Stunden wieder glasklar und phosphatärmer als vorher.

Wenn das zugegebene Eisen-(III)-chlorid zu 100% Eisenphosphat (FePO4) bilden würde, würden durch die 20 Tropfen (~1,0 ml) ~190 mg PO4 ausgefällt. Leider verschwindet nur ein Teil davon, und von diesem wird wiederum ein Teil in Tagesfrist rückgelöst. Offenbar wird Eisenhydroxid gebildet und das Phosphat teilweise adsorbiert. Vielleicht geben auch die Pflanzen aus ihrem Speicher an das Wasser ab. Trotzdem ist diese Methode wirkungsvoll genug, um bei dem hohen Fischbesatz in meinen Becken die Phosphatkonzentration unter 1 mg PO4/L zu halten. Ich kann die Methode nur empfehlen!

Autor: Dr. Gerd Kassebeer   Stand: 1998-10-01   File: http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/Phosphat1.htm   User online: 2