Aquaristik ohne Geheimnisse

Gastbeitrag:

Strömungsberechnung im Aquarium

Wer kennt es nicht, die oft gestellten Fragen: Wie leite ich am besten das Wasser in mein Aquarium? - Wo sauge ich es wieder ab? - Was soll die Pumpe an Literleistung bringen?

Einige dieser Frage relativiert sich etwas oder stellen sich vielleicht auch gar nicht, wenn ein Mattenfilter als Filtertyp gewählt wurde. Aber die eigentliche Frage hierbei ist doch, was macht das Wasser im Becken? - Wie erreiche ich die geeignete Strömung? - Wie lange dauert die Strömung an, wenn das Wasser die Pumpe verlassen hat? Ziel dieses Artikels ist es nicht, Forschungen über die Strömung in einem Aquarium anzustellen. Es sollen auch keine Ratschläge über die Positionierung des Ausstrahlrohrs gegeben werden. Vielmehr soll ein Gefühl für die Strömung und das Verhalten des Wassers in einem Aquarium vermittelt werden. Anlass für diesen Artikel war eine Spielerei meinerseits, weil es mich mal interessiert hat, wie sich die Strömung in meinem Aquarium verhält. Wie so ein Problem gelöst werden kann, ist nur mit Hilfe von speziellen Computerprogrammen möglich.

Vorgehensweise bei CFD

Die allgemeine Vorgehensweise eines CFD Programms ist mit einfachen Worten beschrieben folgende:
Das CAD-Modell

Das CAD-Modell

1. Erzeugung eines Computermodelles
Es wird ein CAD Modell konstruiert. Entweder wird es von einem CAD Programm erzeugt und in das CFD Programm importiert oder wie hier direkt mit einem CAD Programm erzeugt, dass direkt in das CFD Programm eingebettet ist.

Das Programm zur CAD Modellierung von CD-Adapco heißt Stardesign und kann auch genutzt werden, um einfache Berechnungen durchzuführen, ohne die komplette Software zu nutzen.

2. Aufteilen in viele kleine Einzelkörper
Wenn das CAD Modell steht, muss ein dreidimensionales Volumennetz erzeugt werden. Ein Volumennetz besteht aus kleinen Teilchen, die in mathematischer Beziehung zueinander stehen.

Die Teilchen heißen Tetraeder und sehen aus wie kleine Pyramiden, mit denen das Volumen des Modells gefüllt wird.

Die Vernetzung

Die Vernetzung

3. Setzen der Randbedingungen
Wenn das Netz konstruiert ist, werden die Randbedingungen gesetzt, die als Problemdefinition gesehen werden können, z.B. Wo sitzt der Einlass? Wo sitzt der Auslass. Welche Eigenschaften soll der Einlass haben, z.B. Einströmgeschwindigkeit und Richtung?

Die oben erwähnten Randbedingungen habe ich am Aquarium einfach gehalten. Der kleine rote Punkt im Bild ist der Einstrahlschlauch der Pumpe. Die grüne Fläche soll den Eckmattenfilter darstellen und wurde als Auslass definiert.

4. Berechung und Auswertung
Das Programm berechnet in verschiedenen Schritten die Ergebnisse und diese können anschließend in vielfältiger Weise ausgewertet werden.

Problemstellung

Becken 80*35*40 mit Eckmattenfilter
Das erste Beispiel, das ich hier anführen möchte und dessen Randbedingungen, habe ich von meinem momentanen Becken übernommen. Es handelt sich um ein Standardbecken, mit den Massen 80*35*40 (112Liter).
Auswertung Bild 1

Auswertung Bild 1

Das Becken hat einen Eckmattenfilter und wird mit einer Pumpe mit einer Leistung von 80 - 420 Liter / Stunde betrieben. Die Pumpe läuft momentan mit 273 Liter / Stunde. Das entspricht bei einem Standardschlauch 16/22 einer Ausströmgeschwindigkeit von 0,37 m/s. Der Eckmattenfilter hat einen Radius von 11 cm. Das Becken wurde ohne Einrichtung und Bodengrund angenommen, also ein stark vereinfachter und idealisierter Fall.

Wie das Becken CAD und mit generiertem Netz Aussieht, wurde schon dargestellt. Die nachfolgenden Bilder zeigen die Ergebnisse, die sich erzielen lassen, wenn der Fall gerechnet wurde.

Bild 1 zeigt die Geschwindigkeit in 3 verschiedenen Ebenen.
Die Farbskala im rechten oberen Bildrand zeigt die Geschwindigkeit in Meter / Sekunde und die dazugehörige Farbe an. Je dunkler die Farbe, desto geringer die Geschwindigkeit. Daraus ist zu erkennen, dass die Bereiche, in denen nur wenig Strömung herrscht, den größten Teil des Beckens überwiegen.

Bild 2 hat neben den Ebenen noch so genannte "Streamlines". Diese Streamlines wurden ausgehend vom Schlauchendem, also dem Einlass dargestellt. Mit Hilfe dieser Streamlines, lässt sich die Bewegungsrichtung, die das Wasser ausgehend vom Einlass annimmt, darstellen. Das ist sozusagen die Hauptströmungsrichtung im Becken.

Auswertung Bild 2

Auswertung Bild 2

Standardbecken mit HMF an der Seitenscheibe

Als zweites Beispiel habe ich ein Becken mit den Massen 120*40*50 (200 Liter) konstruiert. Ziel war es bei diesem Becken, die Totzonen eines Standardbeckens mit einem HMF an der Seitenscheibe darzustellen und drei verschiedene Pumpen mit unterschiedlicher Literleistung unter den gleichen Beckenbedingungen zu beobachten.

Grundlage für die Berechnung des Mattenfilters war, wie auch beim ersten Becken, die Seite von Olaf Deters. Es hat sich eine Filterfläche von 1750 cm² ergeben, die sich im Prinzip über die ganze Seitenscheibe erstreckt, abzüglich 5 cm Bodengrund.
Die Pumpen, die ich gewählt habe, sind von der Leistung her einfach zu definieren. Ich habe mich hierzu der Pumpenkenndaten der Firma Eheim bedient. Da das Programm zur Berechnung aber Meter / Sekunde benötigt, habe ich die Literleistung umgerechnet und bin auf folgende Werte gekommen:

Standart-Becken Cad-Modell

Standart-Becken Cad-Modell

Die Pumpen sind die Eheim Compact 600 und 1000 und die Eheim Universalpumpe mit 1200 Liter / Stunde. Die Wechselwirkung der Bakterien mit der Durchströmung des Filters wurde nur im ersten Fallbeispiel mit 600 Litern / Stunde berücksichtigt.

Die zwei anderen Fälle dienen nur der Strömungsbeobachtung. Das CAD Modell ist auf dem rechten Bild zu sehen. Der Pumpenauslass ist mittig im oberen Bereich der Matte angebracht. Ansonsten sind der technische Aufbau und die Problemstellung ähnlich wie bei dem 80ger Becken.

CFD (Computational Fluid Dynamics)

Ich beschäftige mich beruflich mit CFD, jedoch nicht mit der Berechnung von Aquarien, sondern mit der Thermik in beheizten Räumen.
Die Frage, die wohl die meisten Menschen stellen, wenn sie zum ersten Mal den Ausdruck "CFD" hören, ist einfach: ???

Genau so erging es mir auch, wie ich mich das erste Mal damit befasst habe. Deswegen möchte ich an dieser Stelle eine kurze Beschreibung anhand einiger kleiner Beispiele geben, was CFD eigentlich ist und was damit gemacht wird.

Die CFD Software stammt ursprünglich aus der Automobilindustrie, findet heutzutage aber in fast allen technischen Bereichen, die etwas mit Fluiden zu tun haben, Anwendung. Zum Beispiel:

An dieser Stelle möchte ich einige Beispiele zeigen, die ich von dem Hersteller des CFD Programms habe, mit dem ich arbeite. Der Hersteller heißt http://www.CD-Adapco.com und kommt ursprünglich aus England. Die nachfolgenden Bilder habe ich von deren Homepage. (Klick für Vollbild)

F1-Simulation

F1-Simulation

Jet-Simulation

Jet-Simulation

Turbinen-Simulation

Turbinen-Simulation

Auswertung von verschiedenen Pumpenleistungen

Pumpe 600 ltr/h

Pumpe 1000 ltr/h

Pumpe 1200 ltr/h

Die strömungsarmen Zonen verringern sich, desto stärker die Pumpenleistung ist, bleiben aber erhalten und ändern sich nur in ihrer Größe.

Bachbecken Modell

Bachbecken Modell

Der Bereich direkt unter dem Auslaß der Pumpe ist bei 600 Litern pro Stunde am schwächsten und kann bei 1000 Litern pro Stunde nahezu eliminiert werden, taucht aber bei 1200 Litern pro Stunde wieder auf. Die Strömung der Pumpe läuft relativ geschlossen durch das Becken, wobei der Hauptunterschied hier in der Eigenschaft des Pumpenstrahls liegt. Der Strahl bleibt länger als Strahl im Becken erhalten und dehnt sich in der Höhe und in der Breite stärker aus.

Bachbecken

Ich habe ein Becken in den Grundzügen rekonstruiert, um zu sehen, wie sich die Strömung verhält und ob es rechnerisch zu den gleichen Problemen führt, die er in der Realität auch hat. Wie das Modell schlussendlich aussieht, zeigt das nachfolgende Bild.

Auf der rechten Seite des Beckens befindet sich im unteren Bereich der Pumpenauslass und auf der linken Seite im oberen Bereich ist der Auslaß, der im Prinzip direkt mit dem Ansaugteil der Pumpe verbunden ist. Das Becken hat die Maße 120*25*15cm. Die Pumpe hat eine Literleistung von 1500 Liter / Stunde, was einer Ausströmgeschwindigkeit von 2,89 m/s entspricht. Die Auslassöffnung der Pumpe hat 1,44 cm² und die Auslassöffnung am Beckenende hat einen Durchmesser von 40 cm.

Die Auswertung der Bilder 1-3 zeigt den Schnitt mittig und längs des Beckens. Bei Betrachtung der Geschwindigkeiten ist deutlich zu erkennen, wie die Strömung im letzten drittel fast gänzlich weg ist. Das heißt, dass der gewünschte Strömungseffekt des Bachbeckens lediglich bis zur Mitte bzw. des ersten Drittels des Beckens reicht. Bild 2 und Bild 3 sind Vergrößerungen von Bild 1, die jeweils die Geschwindigkeitsunterschiede im Bereich der Pumpe und im Bereich des Beckenauslasses zeigen.

Gesamtauswertung

Gesamtauswertung

Detail Einlass

Detail Einlass

Detail Auslass

Detail Auslass

Fazit

Die Berechnungen haben gezeigt, dass die Leistung einer Pumpe nicht zwingend die Strömung erzeugt, die der Betreiber eines Beckens erzielen möchte. Es ist wahrscheinlich vorteilhafter die Richtung und Positionierung des Pumpenauslasses zu ändern, als eine stärkere Pumpe einzusetzen, unabhängig der Art der Filterung.

Bei den Ergebnissen muss natürlich berücksichtigt werden, dass bei der Modellierung der Becken keine Einrichtungsgegenstände eingebaut wurden. Das verzerrt die Ergebnisse in eine ideale Strömung,die durch keine Objekte gebremst wird. Steine, Wurzeln und Pflanzen im Becken wirken sich störend auf die Strömung aus. Aufgrund dieser Tatsache sollen diese Ergebnisse kein Ratschlag für die Anordnung der Pumpenströmung und die Stärke sein, sondern sie sollen ein Gefühl für das Verhalten des Wassers im Becken vermitteln.

Die Tatsache, dass sich die Strömungsgeschwindigkeit relativ schnell verliert, wie es Olaf Deters Bachbecken gezeigt hat, und auch die relative geringe Vermischung mit dem restlichen Aquarienwasser, zeigen, dass es mehrer Pumpen benötigen würde, eine gleichförmige Strömung in einem Aquarium zu schaffen.

Für Fragen in Zusammenhang mit diesem Artikel stehe ich gerne im Forum zur Verfügung.

Autor: Christian Bodmer   Stand: 2010-09-27   File: http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/CFD.htm   User online: 1