Aquaristik ohne Geheimnisse

G. Kassebeer 2007 0909

CO2-Berechnung falsch?

Theorie und Wirklichkeit!

Jeder, der Aquarienpflanzen hat, weiß von deren CO2-Bedarf. Ein wachsender Teil dieser Leute düngt CO2, um das Wachstum der Pflanzen zu verbessern. Der Handel bietet Vorrichtungen für jeden Geldbeutel, von der gärenden Zuckerlösung bis zur Druckgasflasche mit Armatur und Magnetventil sowie Ein-Aus-Regelung. Da nach Meinung der Experten etwa 20 mg CO2 pro Liter der Kompromiss zwischen den Bedürfnissen von Pflanzen und Fischen ist. Eine CO2-Sonde für den Regler ist nicht verfügbar. Als Ersatz dafür wird gern eine pH-Sonde genommen, um den CO2-Gehalt des Aquarienwassers auf 20 mg CO2/l um einen pH-Sollwert aus der Tabelle oder Formel zu regeln . Dabei gab es riesige Abweichungen zwischen dem gemessenen und dem berechneten CO2, die den Verdacht nährten, dass die indirekte Meßmethode zur Ermittlung des CO2-Werts über pH und KH grundsätzlich ungeeignet ist!

Der mathematische Hintergrund:

Folgende Formeln und eine Tabelle geben das Gleichgewicht bei 25°C wider:

pK = pH + lg c CO2 - lg cHCO3 - = 6,27

pH = 7,477 + lg KH - lg cCO2

CO2 (mg/l) aus KH und pH
HCO3- pH
°dKH 6 6,2 6,4 6,6 6,8 7 7,2 7,4 7,6 7,8 8
0,1 3,00 1,89 1,2 0,75 0,48 0,3 0,19 0,12 0,08 0,05 0,03
0,16 4,8 3,00 1,89 1,2 0,75 0,48 0,3 0,19 0,12 0,08 0,05
0,25 7,5 4,8 3,00 1,89 1,2 0,75 0,48 0,3 0,19 0,12 0,08
0,4 12 7,5 4,8 3,00 1,89 1,2 0,75 0,48 0,3 0,19 0,12
0,63 18,9 12 7,5 4,8 3,00 1,89 1,2 0,75 0,48 0,3 0,19
1 30 18,9 12 7,5 4,8 3,00 1,89 1,2 0,75 0,48 0,3
1,6 48 30 18,9 12 7,5 4,8 3,00 1,89 1,2 0,75 0,48
2,5 75 48 30 18,9 12 7,5 4,8 3,00 1,89 1,2 0,75
4 120 75 48 30 18,9 12 7,5 4,8 3,00 1,89 1,2
6,3 189 120 75 48 30 18,9 12 7,5 4,8 3,00 1,89
10 300 189 120 75 48 30 18,9 12 7,5 4,8 3,00
16 480 300 189 120 75 48 30 18,9 12 7,5 4,8
25 750 480 300 189 120 75 48 30 18,9 12 7,5
40 1200 750 480 300 189 120 75 48 30 18,9 12

(Dr. Gerd Kassebeer 10.8.82/31.12.96/19.1.98/10.1.05)

Der pH-Wert von Leitungswasser und den meisten einheimischen Oberflächenwässern ist abhängig vom CO2-Gehalt und vom Hydrogencarbonatgehalt. Diese Drei bilden das pH-Puffersystem in diesen Wassertypen und in Aquariumwässern, die noch keine anderen Pufferkomponenten enthalten. Während sich in einem CO2 -gedüngten Aquarienwasser der pH hauptsächlich durch die Assimilation laufend ändert, ist die KH dagegen nahezu konstant. Daher ist es möglich, den CO2-Gehalt indirekt über pH-Wert und Hydrogencarbonatgehalt zu messen, wenn da nicht bei einem Teil der Fälle, häufig unbemerkt, ein gravierender. Fehler auftritt. Hauptsächlich bei in Altwasser gelösten Huminstoffen und bei sehr hohen Phosphatwerten sind Karbonathärte und das Säurebindungsvermögen (SBV) nicht mehr identisch. Mit dem KH-Tropftest wird nicht nur der Hydrogencarbonatgehalt erfasst, sondern auch die freien Huminsäuren sowie teilweise das Dihydrogenphosphat. Durch die Gleichsetzung des KH-Wertes mit dem Säurebindungsvermögen wird ein gravierender +-Fehler verursacht, wenn Substanzen wie Huminstoffe oder Phosphate auftreten.

Praktische Pufferpflege

Z. B. wurden 2,5°dKH gemessen. Eine Kontrolle mit der indirekten KH-Messung ergab aber KH = 0,1. Statt der bei pH 6,6 erwarteten 19 mg CO2/l waren es ganze 0,75 mg CO2/l.

Der Fehler wird praktisch beseitigt, indem das Wasser häufig gewechselt und damit das Hydrogencarbonat erneuert wird, während das Phosphat und die Huminsäuren reduziert werden.

Das Puffersystem ändert sich!

Die maximale Kapazität eines Puffersystems liegt bei der Halbneutralisation, d. h. bei pH = pK = 6,3 Hier ist der Widerstand gegen höhere oder niedrigere pH-Werten gleich groß. Wenn wir 20 mg CO2/l als Standardkonzentration wählen, ist die dazugehörige KH etwa 1,3.

Neben dem gewollten Puffersystem bilden sich zusätzliche, z. B. H2PO4-/HPO4--/H+, oder Huminsäure/Humat-/H+, auch im Mulm. Freie Säuren, die stärker sind als die Kohlensäure, wie z. B. die Salpetersäure, reagieren mit dem NaHCO3 und senken die KH. Es kommt zu einer Reduzierung der HCO3/CO2/H+-Pufferkapazität und einer Überlagerung mit den zusätzlichen Puffersystemen mit einer gemeinsamen H+-Konzentration. Die gemessene scheinbar hohe KH ist ein Indiz dafür, ebenso der hohe Blindwert bei einer CO2-Messung (minus-p-Wert). Meistens stellt sich ein Gleichgewicht mit geringeren pH und größerer Kapazität ein.

Rechenbeispiel:

KH gemessen mit Tropftest = 4,0, pH = 7,0 mit pH-Meter, Ergebnis nach Tabelle und Formel = 12 mg CO2/l Die Rechengenauigkeit spiegelt eine Meßgenauigkeit vor, die es nicht gibt.

Ein pH-Fehler von 0,3 erzeugt einen Messfehler von 50% oder 6 mg CO2/l bis 18 mg CO2/l, ein Tropfen zuviel bei der KH-Messung = 0,5°dKH, hier von 4°dKH +12,5% = 1,5 mg CO2/l. Bei 1°dKH wäre der Fehler 50%.

Problemlösungen:

Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Problem zu beheben. Eine wurde schon genannt, die Intensivierung der Wasserwechsels mit dem Ziel der Pflege des Hydrogencarbonat- Puffersystems. und der Reduzierung von Phosphat und Huminsäuren.

Hat man einen niedrigen pH und will ihn beibehalten, so kann mit Hilfe eines CO2-Tropftests (ich hoffe, daß er noch im Handel ist!) und der pH-Messung sowie Formel oder Tabelle der tatsächliche KH-Wert ermittelt werden. Hier soll also der reale KH-Wert indirekt gemessen werden.

Bei pH-Werten unter 6 spielt das Hydrogencarbonat in der pH-Pufferung nicht mehr die große Rolle, sondern die Huminstoffe des Mulms und Schlamms. Hier kann der pH-Sollwert in kleinen Schritten verändert werden, bis der CO2-Test in die Nähe von 20 mg CO2/l kommt. Das wäre eine empirische Methode, die den Pflanzen auch einen niedrigen pH beschert, der den meisten Pflanzenarten gut bekommt.

Autor: Dr. Gerd Kassebeer   Stand: 2007-09-09   File: http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/CO2_falsch.htm   User online: 1