Aquaristik ohne Geheimnisse

(C) Dr. Gerd Kassebeer, Juli 2007

Fischfutter ernährt auch Pflanzen!

1.) Lichtbedürftige Stängelpflanzen

Wer lichtbedürftige Stängelpflanzen kultivieren will, benötigt ein Aquarium mit einer leistungsfähigen Beleuchtung von 0,8 – 1,5 Watt/Nettoliter und eine CO2-Düngung. Die weiteren Hauptnährstoffe als auch Spurenelemente, z. B. Stickstoff (N), Phosphor (P), Kalium (K) werden regelmäßig dem Wasser zugesetzt. Assimilationsblasen am Abend zeigen an, daß es an nichts mangelt. Die heranwachsenden Pflanzen müssen oft abgeerntet werden, um Platz für die nächsten zu schaffen. Der Wettbewerb wüchsiger Pflanzen um die Nährstoffe stört nebenbei den Algenwuchs.. Gutes Pflanzenwachstum schützt also vor Algen!

Trockenfutter

Trockenfutter

Um lichtbedürftige Stängelpflanzen zu pflegen, muss ein erheblicher Aufwand getrieben werden. Es ist aber auch möglich, mit einer schwächeren Beleuchtung mit etwa 0,3 - 0,8 Watt/Nettoliter und ohne CO2- und Spurenelementdüngung einen guten Pflanzenwuchs mit Arten mittleren und geringeren Lichtbedarfes zu erzielen. Wie kommt bei dieser Art von Aquarien die Versorgung der Wasserpflanzen mit CO2 und anderen Nährstoffen zustande? Wer düngt hier?

2.) Futtermenge gegen Pflanzenmenge.

Die Pflanzenernte und die Futtermenge meiner kleinen Aquarienanlage wurden registriert. Es wurde täglich gefüttert, im ganzen pro Monat 1200 g gefrorene Mückenlarven, dazu 150 g lebende Artemia-Nauplien, 50 g Trockenfutter und etwa 300 g lebende Wasserflöhe. Meine Aquarien enthalten insgesamt 500 l Wasser, erhalten insgesamt 250 Watt Licht und keine zusätzliche CO2-Düngung. Gelegentlich traten Chlorosen wegen Eisenmangels auf. Dann wurde mit einem Spurenelementdünger gedüngt.

Aus 1 g Trockenfutter werden:
Komponente Formel Anteil (mg)
Kohlenstoff (als Kohlendioxid) CO2 ~1200
Stickstoff (als Nitrat) NO3 ~500
Wasser H2O ~100
Phosphor (als Phosphat) PO4 ~10
Kalium K ~7
Schwefel (als Sulfat) SO4 ~5
Sauerstoffverbrauch O2 ~1200
Diverse Quellen und eigene Berechnungen.
Gerd Kassebeer 12.98
Die Becken waren überwiegend mit Killifischen, Lebendgebärenden Zahnkarpfen, Barben und Saugwelsen besetzt, die das eingebrachte Fischfutter verdauten. CO2-Verluste wurden so klein wie möglich gehalten. Die Becken waren abgedeckt. Luftheber wurden nur in Zuchtbecken benutzt, in den anderen Becken Kreiselpumpen mit Rückführung des Filtrats unter die Wasseroberfläche, um CO2-Verluste zu minimieren.

Alle entnommenen Pflanzen und Pflanzenteile wurden gewogen und notiert. Die Erfassung dauerte 15 Monate. Geerntet wurden etwa 1000 g Wasserpflanzen pro Monat (Nassgewicht)! Die Pflanzenmenge entstand aus Teilen der mineralisierten Futtermenge. Fischfutter und Pflanzen haben erhebliche Wassergehalte. Deswegen vergleiche ich die Trockenmassen.

Ich schätze die Trockenmasse des eingebrachten Fischfutters auf 300 g pro Monat, die durch Pflanzenwachstum erzeugte Trockenmasse auf rund 100 g pro Monat.
Diese Zahlen zeigen, da die z. B. die CO2-Menge, die durch Mineralisation aus dem zugesetzten Fischfutter entsteht, ausreicht, um Diese Menge Wasserpflanzen zu erzeugen.

Javamoos

Javamoos

3.) Kein CO2 ohne Fütterung!

Fische atmen O2 ein, um damit aus dem verdaulichen Teil des Futters Energie zu gewinnen. Nur ein geringer Teil des Fischfutters wird zum Aufbau von Körpersubstanz benutzt. Reststoffe werden ausgeschieden, z. B. als Kot und Urin ins Wasser oder, wie CO2 und NH3, über die Kiemen ins Wasser. Ammoniak (NH3) wird danach durch Aufnahme eines H-Ions in Ammonium (NH4+) verwandelt.

Bei der Photosynthese wird CO2 von den Pflanzen durch die Energie des Lichtes in Speicherstoffe verwandelt. Nachts atmen die Pflanzenzellen, um ihren Energiebedarf zu decken, und setzen dabei gebundenes CO2 wieder frei. Werden die Fische nicht gefüttert, so sinkt der CO2-Gehalt im Becken, weil die Fische weniger ausatmen, als durch die Photosynthese der beleuchteten Pflanzen gebraucht wird. Der pH-Wert steigt. In diesem Fall ist er ein Indikator für das sinkende CO2 nach der Gleichung:

pH = pK + lg c(HCO3-)

also, für lg c(HCO3-) = const:

pH = prop. -lg c(CO2)

Diesen Tatbestand macht man sich ja bei der pH-geregelten CO2-Düngung zunutze, weil sich die Konzentration des Hydrogenkarbonats ( Karbonathärte KH) kurzzeitig kaum verändert
Das Fischfutter ist die einzige externe Quelle für das CO2. Handelsübliches Trockenfutter enthält z. B. etwa 50% Proteine sowie Kohlenhydrate. Sie werden ähnlich den abgestorbenen Pflanzen überwiegend zu CO2, NH3 und H2O veratmet, nur wesentlich schneller. Ich schätze, daß über die Hälfte des Fischfutters in den ersten 24 h mineralisiert wird, ein Teil geht in den Mulm und Filterschlamm und kommt u. a. als CO2 zurück..

Abgestorbene Pflanzenteile werden auch durch Mikroorganismen zerlegt (mineralisiert). Am Ende dieser Mineralisation steht als Hauptprodukt CO2 neben dem ganzen Spektrum von Nährstoffen und Spurenelementen, die eine Pflanze enthält. CO2 aus der Umgebungsluft liefert keinen meßbaren Beitrag zur CO2-Versorgung!

4.) Mulm ist ein Vorrat von Pflanzen-Nährstoffen

Gelöste Stoffe, die mikrobiologisch abbaubar sind, werden durch die bakteriellen Biofilme auf den inneren Oberflächen des Aquariums eingefangen und veratmet. Die Bakterien gewinnen damit Energie. Ungelöste Stoffe, Ballaststoffe aus verdautem Futter, (also z.B. Rohfaser, Cellulose, Lignin, Chitin) gelangen in den Mulm oder Schlamm, werden durch Mikroorganismen besiedelt und stufenweise mit Sauerstoff zu H2O und CO2 oxidiert. Vereinfacht ausgedrückt: Fischfutter wird soweit wie möglich vom Fisch verdaut und u. a. als CO2 ausgeatmet.
Verdautes Rinderherz nährt Aquarienpflanzen
Komponente Formel Anteil (mg)
Kohlenstoff (als Kohlendioxid) CO2 ~700
Stickstoff (als Nitrat) NO3 ~400
Wasser H2O ~300
Phosphor (als Phosphat) PO4 ~6
Kalium K ~4
Schwefel (als Sulfat) SO4 ~3
Sauerstoffverbrauch O2 ~1200
Diverse Quellen und eigene Berechnungen.
Gerd Kassebeer 12.98
Bei Aquarien ohne externe CO2-Düngung ist das Fischfutter die einzige externe CO2-Quelle. Messungen des Verlaufs von pH, Sauerstoff und Ammonium über den Tag zeigten, dass zwar etwa 4 Stunden nach Fütterung am meisten CO2 entsteht, aber die gesamte Freisetzung sich über Tage und Wochen erstreckt. Damit stellen diese Stoffe einen langsam freiwerdenden Vorrat von CO2 und anderen Mineralstoffen dar. Ähnlich verhält sich Laub, das in das Aquarium eingebracht wird. Es wird allmählich mineralisiert und trägt so zur Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen bei.

5.) Worin besteht der Nutzen des Wasserwechsels?

Wer Altwasser als Dreckbrühe bezeichnet, in der sich Schadstoffe ansammeln, hat die Stoffkreisläufe im Aquarium nicht richtig verstanden. Wasserwechsel reinigt nicht, sondern verdünnt nur. Die Reststoffe der Mineralisation sind überwiegend Nährstoffe und Spurenelemente, deren Entfernung kontraproduktiv wäre. Ein Aquarium benötigt eine leistungsfähige Mikroflora, um das Wasser sauber zu halten, und die ist durch nichts ersetzbar. Es gibt keine Schadstoffe, die ihren Namen verdienen, mit Ausnahme vielleicht des Ammoniums und Nitrits. Diese sind aber durch die üblichen Wasserwechselquoten nicht beherrschbar, weil bereits eine normale Fütterung innerhalb von Stunden toxische Konzentrationen erzeugen kann, wenn nicht eine leistungsfähige Nitrifikationsflora wirksam wäre, welche die Konzentrationen dieser Schadstoffe im Aquarienwasser niedrig hält.

Einige Reststoffe wie Natriumchlorid (NaCl), Phosphat (PO4) oder Nitrat (NO3-) reichern sich manchmal an und erfordern einen gelegentlichen Wasserwechsel, am besten mit entsalztem Wasser. Während über Schadwirkungen von NaCl und NO3 nichts wissenschaftlich Fundiertes bekannt ist, steht PO4 im Verdacht, Schwermetalle durch Ausfällung schwerlöslicher Verbindungen zu blockieren. Beim Wasserwechsel sind so gut wie nie die von den Pflanzen benötigten Nährsalze im Leitungswasser vorhanden Daher entfällt ein Düngeeffekt Bei meinem Leitungswasser z. B. fehlen Kalium und Stickstoff. Bei Starklicht müsste Kaliumnitrat dosiert werden.

Die Tabellen mit der Zusammensetzung wichtiger Futterstoffe geben Anhaltspunkte für die bei der Mineralisation freiwerdenden Nährstoffe. Dabei spielt Kohlenstoff die Hauptrolle, aber auch Stickstoff, der vom Fisch als Ammoniak ausgeatmet wird, oder von anderen Tieren als Harnstoff mit dem Urin ausgeschieden und anschließend durch das Enzym Urease in Ammonium und CO2 zerlegt wird. Ammonium wird durch die nitrifizierenden Bakterien zu Nitrit und dieses zu Nitrat oxidiert. Ein Teil des Ammoniums wird durch die Pflanzen aufgenommen, ein Teil des Nitrats wird zu Stickstoff veratmet und geht damit als Dünger verloren.

Pflanzennährstoffe aus Kabeljau?
Komponente Formel Gehalt (mg/kg) mineralisiert(Mol/kg
Wasser H2O ~812000 .
Kohlenstoff C ~5000 -4,2*)
Sauerstoff O ~80000 .
Wasserstoff H ~10000 .
Stickstoff N ~30000 -2,15*)
Phosphor P ~1900 -0.06*)
Natrium Na ~860 0,04
Kalium K ~3390 0,09
Calcium Ca ~110 0,003
Magnesium Mg ~280 0,01
Schwefel D ~2900 -0,09
Eisen Fe ~5 .
*) Nur ein Bruchteil ist innerhalb
von Tagen mineralisierbar

6.) Wo bleibt der Stickstoff?

Während bei der Starklichtkultur von Aquarienwasserpflanzen oft N-Mangel herrscht, wenn nicht vorgebeugt wird, ist das bei Aquarien mit mittlerem Licht nicht so. I. d. R. sind Pflanzenbecken, die stark belichtet werden, oft mit Fischen eher schwach besetzt, um die Blicke auf den Bewuchs zu lenken Dann ist es notwendig, die Pflanzen mit Nährsalzen zu versorgen.

Stickstoff ist ein Hauptbestandteil des Proteins und kommt mit dem Futter in den Verdauungsapparat des Fisches. Während der Kohlenstoff, der im Futter enthalten ist, in Form von CO2 ausgeschieden wird, atmet der Fisch den Stickstoff als Ammoniak (NH3) aus, das nach dem Verlassen der Kiemen ein H-Ion aufnimmt und zu Ammonium (NH4+) wird.

Ob die Pflanze überwiegend Ammonium direkt oder über den Umweg Nitrat aufnimmt, ist strittig. Möglich ist beides. Dabei sollte bedacht werden, dass im Aquarium am Tage höchstens 0,1 mg NH4/l vorhanden ist neben etwa 20 mg NO3/l.
Konkurrent beim Nitratverbrauch ist die Nitratatmung, die in den anoxischen Zonen des Aquariums abläuft und Nitrat in Stickstoff verwandelt. Dies führt eventuell zu Stickstoffmangel, der dann durch Düngung oder Fütterung behoben werden muß.

7.) Sonderfall Eisen.

Pflanzen brauchen Eisen zur Bildung des Chlorophylls. Eisen ist ohne Chelatoren in Aquarienwasser nicht löslich. Chelatoren sind Stoffe, die z. B. mit Schwermetallen feste Bindungen eingehen und in Wasser gut löslich sind. Auch Pflanzenwurzeln sind in der Lage, solche Stoffe zu bilden.
Manche Pflanzenarten zeigen den Eisenmangel als Chlorosen an. Spurenelementdünger haben einen hohen Anteil an Eisen und auch an Chelatoren. Bakterien sind fähig , die Chelatoren abzubauen und dadurch das Eisen auszufällen, wenn man Ihnen einige Monate Zeit gibt, geeignete Enzyme dafür zu entwickeln.
Möglich ist die Reduktion zum gut löslichen zweiwertigen Eisen im verschlammten Boden des Aquariums. Möglich ist die Aufnahme von frisch gefälltem Eisen durch die Pflanze. Im Altwasser bilden sich wasserlösliche Huminstoffe, die chelatisierende Wirkung haben und den Pflanzen das nötige Eisen zuführen

8.) Auch die übrigen Reststoffe sind keine Schadstoffe!

"Mineralisation (auch Mineralisierung) ist der Abbau toter organischer Stoffe bis hin zur anorganischen bzw. mineralischen Stufe durch die Einwirkung von Mikroorganismen, wie z.B. bei der Humusbildung" (Römpp: Chemielexikon gekürzt). Die Mineralisation des Kabeljaus ergibt eine gute Düngelösung (siehe Tabelle!). Wenn man bedenkt, daß Flockenfutter hauptsächlich aus Seefischfleisch hergestellt wird, hat man hier fast alles, was gebraucht wird. Insofern ist die Mineralisation der Reststoffe ein wichtiger Beitrag zur Ernährung der Aquarienpflanzen!

Mulm und Filterschlamm sind ähnliche Stoffe. Sie werden auch Wasserhumus genannt. Sie haben die Eigenschaften schwach saurer Kationenaustauscher und bilden bei Halbbelegung mit Calcium (als Hauptkation des Aquarienwassers) ein pH-Puffersystem im Bereich 4 – 7, was den H+/HCO3-/CO2-Puffer ersetzen kann. Das geschieht in vielen Altwasserbecken!
Halbbelegung bedeutet, daß die Hälfte der aktiven Stellen durch H-Ionen, die andere Hälfte durch Ca-Ionen besetzt sind. Konzentrationsänderungen im Wasser bei Ca und H+ werden durch den Ionenaustauscher gedämpft.

9.) Mineralisation reinigt das Wasser und düngt die Pflanzen

Der mikrobielle Abbau geht in vielen Stufen und Verzweigungen vor sich. und mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Die Proteine des Fischfutters brauchen etwa 4 Stunden, um vom Fisch als Ammoniak ausgeschieden zu werden, der Ammoniak nur Sekunden zum Ammonium, das Ammonium durchschnittlich eine Stunde bis zum Filter und etwa 4 min. bis zum Nitrit und Nitrat. Die Kinetik der Nitratatmung ist durch Nitratfilter bekannt. Sie beträgt etwa 20 Minuten.

Die hohe Geschwindigkeit der Nitrifikation ist der Grund für die extrem niedrigen Konzentrationen von Ammonium und Nitrit, nicht zu verwechseln mit dem extrem langsamen Wachstum von NH4-Oxidierern und NO2-Oxidierern. Die Bakterien teilen sich nur etwa einmal pro Tag. Daher brauchen sie Tage und Wochen, bis eine leistungsfähige Flora aufgebaut ist.

Die kohlenstoffhaltigen Verbindungen werden in vielen Stufen durch Bakterien mit Sauerstoff zu Wasser und CO2 zerlegt. Der Inhalt von Zellen wird dabei freigesetzt und damit ein ständiger Strom von Pflanzennährstoffen inklusive Spurenelementen induziert. Wüchsige Pflanzen nehmen außer CO2 einen beachtlichen Anteil der Nährsalze auf. Alle diese Schritte sind Teile der Selbstreinigung von Aquarien, ein guter Grund, Mikroflora und Mikrofauna bei Reinigung von Aquarien teilweise zu verschonen.

Autor: Dr. Gerd Kassebeer   Stand: 2007-07-01   File: http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/Mineralisation.htm   User online: 1