Aquaristik ohne Geheimnisse

Dr. Gerd Kassebeer  AH 2/91, S. 40/017<

Calcium im Aquarienwasser - eine wichtige Substanz

Im Süßwasser Hauptbestandteil

im Seewasser Nährstoff der kalkbildenden Organismen

Das Element Calcium ist am Aufbau der Erdoberfläche ganz wesentlich beteiligt. Die bedeutendste Verbindung ist Calciumcarbonat, das als Calcit oder Aragonit kristallisiert. Ganze Gebirgszüge bestehen daraus. Zwei Perioden der Erdgeschichte tragen die Namen des Calciumcarbonats: Muschelkalk und Kreide. Kalkhaltige Ablagerungen gibt es aber auch noch in anderen erdgeschichtlichen Perioden. Kohlendioxidhaltiges Wasser löst das Calciumcarbonat aus dem Gestein und führt es als Calciumhydrogencarbonat ins Grund- oder Oberflächenwasser. Hier bildet es den Hauptbestandteil der Härtebildner, meistens den Hauptbestandteil der gelösten Kationen (positiv geladene Ionen).

Mit dem Flußwasser gelangt es ins Meer und wird hier überwiegend durch kalkbildende Organismen wie z. B. Algen Korallen, Muscheln, Schnecken, Bryozoen wieder abgeschieden. Es bildet sich letztendlich wieder ein kalkhaltiges Sediment und daraus Gestein. Der Kreislauf schließt sich.

Neben den Calciumcarbonaten gibt es noch zahlreiche andere calciumhaltige Mineralien und Gesteine, wie Calciumsilikate, Gips (Calciumsulfat) und Apatit (Calciumphosphat).

1.) Hauptbestandteil des Leitungswassers

Calcium ist das Hauptkation im Leitungswasser, noch vor dem Magnesium und Natrium. Die begleitenden Anionen sind Hydrogencarbonat, Sulfat und Chlorid, manchmal auch Nitrat. Meistens ist die Calciumkonzentration drei- bis viermal so hoch wie die Magnesiumkonzentration, in Milligramm pro Liter gerechnet. Die Hydrogencarbonatkonzentration, in Millimol pro Liter gerechnet, ist meistens weniger als das Doppelte der Calciumkonzentration. Man könnte auch sagen, Calcium liegt überwiegend als Hydrogencarbonat (Ca(HCO3)2) vor, aber das ist nicht ganz richtig, weil die gelösten Stoffe überwiegend als Ionen vorliegen und nicht einander zugeordnet sind. Entzieht man dem Leitungswasser Kohlendioxid, z. B. durch Belüftung, am besten mit kohlendioxidfreier Luft, so wird das Wasser trübe. Es fällt Calciumcarbonat aus. Sehr harte Wässer braucht man nur stehen lassen oder erwärmen.

Ca(HCO3)2 = CaCO3 + CO2 + H2O

In Warmwasserleitungen und Boilern passiert das Gleiche. Setzt man dem Wasser Alkali hinzu, z. B. wenig Natronlauge oder gelöstes Calciumhydroxid, so fällt ebenfalls Calciumcarbonat aus.

Ca(HCO3)2 + Ca(OH)2 = 2 CaCO2 + 2 H2O

Ca(HCO3)2 + NaOH = CaCO3 + NaHCO3

Diese verschiedenen chemischen Reaktionen können im Prinzip genutzt werden, um die Calciumkonzentration und damit die Härte des Wassers zu reduzieren.

2.) Die Physiologie des Calciums.

In der Tier- und Pflanzenwelt spielt Calcium die Rolle eines Makronährelements. Seine Hauptaufgabe ist die Regulation des Quellungszustandes des Cytoplasmas (Zellinhalts) zusammen mit Kalium. Calcium verursacht die Entquellung, Kalium die Quellung. Daneben hat Calcium noch zahlreiche andere physiologische Funktionen. Es bremst die Durchlässigkeit der Zellmembran im Gegensatz zu Kalium, ist Bestandteil einer Reihe von Enzymen und für deren Aktivität mitverantwortlich. Unsere Fische nehmen ihren Calciumbedarf mit der Nahrung auf. Pflanzen, Bakterien und alle kalkgerüstbildenden Organismen, im Süßwasser hauptsächlich Schnecken und Muscheln, nehmen ihren Calciumbedarf aus dem Wasser auf. Pflanzen können anscheinend nur passiv Calcium aufnehmen. Sie können es im Gegensatz zu Kalium nicht aus der Nährlösung aufkonzentrieren und sind daher auf ein stets ausreichendes Angebot angewiesen. Calciummangel kann zu Ernährungsstörungen führen. Das ist zumindest über Nutzpflanzen bekannt, für Wasserpflanzen aber wahrscheinlich. Umgekehrt verhindert eine hohe Calciumkonzentration im Wasser die Aufnahme anderer Nährsalze, wie z. B. Kalium, was ebenfalls Schäden bei den Pflanzen hervorrufen kann, wahrscheinlich auch bei Fischlaich, indem die Zellmembran undurchlässig wird. Organismen, die Kalkgerüste bilden, wie z. B. Schnecken, Muscheln, Kalkkorallen, Kalkalgen, nehmen aktiv Calcium auf. Sie können es aus der Nährlösung aufkonzentrieren und damit einen Calciummangel im Aquarienwasser verursachen. Die vielen Veröffentlichungen über Calciumdüngung und Kalkreaktoren für Seewasseraquarien spiegeln diesen Tatbestand wieder. Im Süßwasseraquarium wird Calciummangel am ehesten durch eine Massenvermehrung von Schnecken verursacht. In einem meiner Aquarien mit starker Schneckenvermehrung war pH und Karbonathärte (Säurekapazität) stark abgesunken und mit dem Calciumtest kein Calcium mehr nachzuweisen. Der Pflanzenwuchs stagnierte.

3.) Einflüsse auf die Calciumbilanz des Süßwasseraquariums

Früher war ich überzeugt, daß in einem Aquarium ohne Wasserwechsel (Altwasser) allmählich eine Aufhärtung erfolgt, wenn man nichts dagegen tut, verusacht durch Wasserverdunstung und Mineralisation von organischer Substanz. Leitfähigkeitsmessungen an solchen Aquarien zeigten lediglich einen Anstieg über einige Monate, dann einen Stillstand und manchmal einen leichten Rückgang. Parallele Härtemessungen zeigten das gleiche Bild. Es mußte also Prozesse geben, die die Calciumkonzentration im Aquarium reduzieren. Zwei davon wurden schon erwähnt, einmal die Aufnahme durch Pflanzen, dann durch Schnecken. Zwei andere müssen noch erwähnt werden, das ist dieAbsorption von Calcium durch im Filterschlamm gebildete Huminstoffe, die die Eigenschaft schwach saurer Kationentauscher besitzen, und die Ausfällung von Calcium als Phosphat. In einem Altwasser reichert sich zunächst Phosphat an, bleibt dann aber bei einer vom pH abhängigen Konzentration stehen. Dies ist auf das Erreichen der (pH-abhängigen) Sättigungskonzentration des Calciumhydrogenphosphats zurückzuführen. Umgekehrt senkt ein Wasserwechsel nur vorübergehend die Phosphatkonzentration, weil eine Rücklösung des ausgefällten Calciumphosphats stattfindet.

Im Handel sind Präparate erhältlich, die die Härte und den pH-Wert des Aquarienwassers senken. Sie bestehen aus Natriumdihydrogenphosphat, das über eine teilweise Ausfällung des Calciums eine Senkung der Härte und Hydrogencarbonatkonzentration verursacht.

Ca(HCO3)2 + NaH2PO4 = CaHPO4 + NaHCO3 + CO2 + H2O

4.) Die Calciumbilanz des Seewasseraquriums

Früher wurde gern über Muschelschutt filtriert, weil man glaubte, daß die Auflösung des Calciumcarbonats den pH-Wert stabilisiert. Heute weiß man es besser! Ohne Kohlendioxid löst sich kein Calciumcarbonat. Im Seewasser ist praktisch kein Kohlendioxid vorhanden, da es durch die übliche stärke Belüftung (Abschäumer und Umwälzpumpen) bis auf einen geringen Rest Ausgetrieben wird, der im Gleichgewicht mit dem Kohlendioxid der Luft steht. Die Calciumreaktoren arbeiten deswegen mit Kohlendioxid.

Im natürlichen und künstlichen Seewasser gibt es eine Obergrenze der Calciumlöslichkeit, die hauptsächlich von der Hydrogencarbonatkonzentration und vom pH-Wert abhängt. Diese Grenze kann bestenfalls vorübergehend überschritten werden, bis das überschüssige Calciumcarbonat ausgefallen ist. Bei einer Hydrogencarbonatkonzentration von 2 Millimol pro Liter (5,6°dKH) und pH 8,3 sind maximal etwa 450 Milligramm Calcium pro Liter löslich, bei höherer Hydrogencarbonatkonzentration und höherem pH-Wert entsprechend weniger.

Liegt eine Calciumsättigung vor, so fällt zugesetztes Calcium aus, es sei denn, daß pH-Wert oder Hydrogencarbonatkonzentration gesenkt werden. Erhöht man die Hydrogencarbonatkonzentration, z. B. durch Zugabe von Natriumhydrogencarbonat, so fällt Calcium aus. Liegt eine Untersättigung vor, z. B. durch calciumverbrauchende Organismen verursacht, so führt ein Calciumzusatz zur Erhöhung der Calciumkonzentration.

5.) Reduzierung der Calciumkonzentration

Hat man ein hartes Leitungswasser und pflegt anspruchsvolle Wasserpflanzen oder pflegt oder züchtet Fische aus Weichwassergebieten, so führt oft die Reduzierung der Calciumkonzentration zum gewünschten Erfolg. Man kann zwar das Wasser durch Reversosmose oder Vollentsalzung eines erheblichen Teils insgesamt salzärmer machen, aber bei der Pflanzenpflege und auch bei den Fischen führt eine Entkarbonisierung (d. h. Entkalkung) auch zum Ziel. Zwei alte und einfache Methoden wurden schon genannt, die Abscheidung eines Teils des Calciums als Carbonat durch Belüften oder Alkalizusatz. Etwas aktueller ist die Filtration über Torf, das wie ein schwach saurer Kationentauscher wirkt, oder durch den Einsatz eines Flutbeutels mit schwach saurem Kationentauscher. Die Verwendung von Torf führt nach spätestens 2 Wochen zur Mineralisation des Torfs. Er muß entweder laufend erneuert werden oder darf nur außerhalb des Aquariums zur Wasseraufbereitung benutzt werden. Die Eigenart des schwach sauren Kationentauschers besteht darin, nur solange Kationen aufzunehmen, wie der pH-Wert hoch genug ist. Bevorzugt wird Calcium aufgenommen. Als Nebeneffekt wird Hydrogencarbonat durch freigesetzte H+-Ionen in Kohlendioxid verwandelt, solange bis es verbraucht ist. Dann stellt der schwach saure Kationentauscher seine Arbeit ein, weil ihm der pH-Wert zu niedrig wird. Ein stark saurer Kationentauscher würde dagegen das Wasser stark ansäuern.

Ca(HCO3)2+ 2 H+-Kat.-tauscher = Ca22+-(Kat.-tauscher)2 + H2O + 2 CO2

Mit der Reduzierung der Calciumkonzentration durch einen schwach sauren Kationentauscher würde die Magnesiumkonzentration erhalten bleiben, nur der physiologisch schädliche Effekt des Calciums reduziert. Allerdings würde auch, wie bei allen anderen Methoden, die Pufferkapazität des Wassers reduziert, die an die Hydrogencarbonatkonzentration gekoppelt ist.

6.) Erhöhung der Calciumkonzentration

Durch Mischen von hartem mit weichem Wasser lassen sich beliebige Konzentrationen einstellen, soweit beides zur Verfügung steht. Ersatzweise nimmt man eine gesättigte Lösung von Gips (CaSO4) in Wasser. Sie enthält knapp 600 Milligramm pro Liter Calcium, entsprechend etwa 15 Millimol pro Liter Härte (~80°dH). Die Säurekapazität ist Null.

Calciumhydrogencarbonat ist leider nicht im Handel erhältlich, da es sehr instabil ist. Für die Seewasseraquarianer wäre das eine ideale Substanz. Sie wird teilweise durch Mischen von Natriumhydrogencarbonat und Calciumchlorid hergestellt und enthält dann außer dem gewünschten Calciumhydrogencarbonat noch Natriumchlorid, was bei Seewasser aber nicht tragisch ist. Auch im Calciumreaktor entsteht Calciumhydrogencarbonat durch Lösen von Calciumcarbonat mit Kohlendioxid. Dosiert man Calciumhydrogencarbonat in ein calciumuntersättigtes Seewasser, so steigt die Calciumkonzentration und die Säurekapazität (Karbonathärte). Letzteres ist nicht immer erwünscht. Bei Calciumsättigung fällt Calciumcarbonat aus, der pH sinkt, die Säurekapazität steigt. Bei diesen Methoden muß also stets gemessen werden, um unerwünschte Nebeneffekte wie z. B. die Erhöhung der Säurekapazität zu vermeiden.

Häufig wird eine Lösung von Kalkhydratpulver (Ca(OH)2) genommen. Bei Calciumuntersättigung steigt die Calciumkonzentration, der pH-Wert und die Säurekapazität, bei Calciumsättigung fällt überschüssiges Calcium als Carbonat aus, der pH-Wert steigt zunächst, die Säurekapazität sinkt zunächst. Beides normalisiert sich wieder durch das entstehende oder vom Wasser aufgenommene Kohlendioxid, solange man behutsam dosiert.

Ca(OH)2 + Ca(HCO3)2 = 2 CaCO3 + 2 H2O

Ca(OH)2 + 2 CO2 = Ca(HCO3)2

Die geringe Löslichkeit des Kalkhydrats und die Bildung eines Anteils von neutralem Calciumsalz bei Verwendung von Leitungswasser macht dies Verfahren risikolos, zumal es mit der Ergänzung des verdunsteten Wassers kombiniert werden kann. Der Optimal-Aquarianer benötigt praktisch zwei voneinander unabhängige Regelkreise, einen fürs Calcium und einen für die Säurekapazität. Sehr gut zu gebrauchen wäre Calciumcarbonat, wenn es sich in vernünftiger Zeit bis zur Sättigung lösen würde, denn es wäre in jedem Fall ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Leider ist die Lösegeschwindigkeit unter aquaristischen Bedingungen zu gering.

Vielleicht macht es Sinn, ein großlumiges Langsamfilter mit gefällter Kreide zu betreiben, das in idealer Weise bei Untersättigung eine Sättigung herbeiführt und bei Sättigung inaktiv ist. Wer probiert es ? Oder hat es schon jemand probiert und noch nicht publiziert?

7.) Messung von Calcium

Im Handel sindTropftests erhältlich, die zum Teil in Süß- und Seewasser funktionieren, z. B. der DUPLA-Test Calcium. Ein solcher Test arbeitet nach der Methode der Tropftitration. Es werden die Tropfen bis zum Farbumschlag des Indikators gezählt und mit einem Faktor multipliziert. Das Resultat ist die Calciumkonzentration in Milligramm pro Liter. Teilt man diese Zahl durch 40, erhält man die Calciumkonzentration in Millimol pro Liter. Durch Teilen der Zahl mit 7,14 erhält man die Calciumhärte in °dH.
Autor: Dr. Gerd Kassebeer   Stand: 1991-2-01   File: http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/Calcium.htm   User online: 1