Aquaristik ohne Geheimnisse

Dr. Gerd Kassebeer  AH 2/91, S. 40/017

Kieselsäure im Aquarium

Die biologische Bedeutung der Kieselsäure ist noch nicht völlig geklärt. Sicher ist, daß Kieselsäure den Kieselalgen (Diatomeen) und einigen höheren Pflanzen, z.B. dem Hornblatt (Ceratophyllum demersum) als Gerüstsubstanz dient. Bekannt ist auch, daß Kieselsäure besonders von Gräsern, z.B. Reis, in hohem Maße aufgenommen wird, ohne daß die biologische Bedeutung bekannt ist. Außerdem ist durch Versuche bekannt, daß Phosphorsäure teilweise durch Kieselsäure ersetzt werden kann.

Uns Aquarianern sind die braunen Beläge von Kieselalgen auf Glasscheiben, Blättern und Dekoration in neu eingerichteten Süß- und Seewasserbecken bekannt. In den meisten Fällen verschwinden sie nach einigen Wochen von selbst wieder. Im Seewasser können sie allerdings nach jedem Teilwasserwechsel wieder erscheinen, wenn alle anderen Wachstumsfaktoren vorhanden sind.

1.) Kieselsäure in der Natur und im Leitungswasser

Silizium ist eines der häufigsten Elemente an der Erdoberfläche. Es kommt vor als kristalliner Quarz, amorpher Flint oder in Form von gesteinsbildenden Silikaten. Die riesigen Sandläger der norddeutschen Tiefebene bestehen praktisch nur aus Siliziumdioxid (SiO2). Das Grundwasser passiert zunächst als Regen- oder Sickerwasser die Bodenschichten und nimmt dabei Kieselsäure auf. Unser Leitungswasser enthält daher etwa 5 bis 20 mg/l Kieselsäure, gerechnet als SiO2. Füllen wir unser Aquarium mit Leitungswasser, oder machen wir einen Teilwasserwechsel, so führen wir Kieselsäure zu. Diese besteht im Trinkwasser aus ortho-Kieselsäure mit der Formel H4SiO4. Diese Säure ist so schwach, daß praktisch nicht dissoziiert ist und weder zur Leitfähigkeit noch zur Ionenbilanz beiträgt. Der pH-Wert wird ebenfalls nicht von ihr beeinflußt. Ihre Löslichkeit ist begrenzt. Der Ockerschlamm an Bächen, sowie der Filterschlamm von Aquarien enthält ausgefällte Kieselsäure.

2.) Wo bleibt die Kieselsäure des Aquariums?

Sowohl in Süß- als auch in Seewasseraquarien nimmt die Kieselsäurekonzentration allmählich ab. Gut eingefahrene Seewasserbecken mit niederen Tieren sind frei von Kieselsäure. Bei Süßwasserbecken mit regelmäßigem Teilwasserwechsel stellen sich je nach Randbedingungen Werte von 1 - 5 mg/l SiO2 ein. Die Hauptmenge dürfte durch Bildung von Kieselalgen verbraucht werden. Ein weiterer Teil wird durch Adsorption an den Filterschlamm ausgeschieden.

Bakterien und höhere Wasserpflanzen nehmen bis zu 1% ihres Trockengewichts an Kieselsäure auf. Ein Teil davon ist wirksam als Phosphorersatz. Die Kieselalgen bilden hochsymmetrische Gerüste verschiedenster Formen aus amorpher Kieselsäure. Nach dem Tod der Alge bleibt das Gerüst erhalten. Es ist praktisch unlöslich. In erdgeschichtlichen Zeiten haben sich aus toten Kieselalgen riesige Läger von Kieselgur gebildet.

Die Gerüstnadeln von Schwämmen bestehen teilweise auch aus Kieselsäure, teilweise aber aus Kalk.

3.) Zusatz von Kieselsäure zum Süßwasserbecken

Bei einem Teilwasserwechsel mit Leitungswasser wird stets soviel Kieselsäure nachgeliefert, wie die Bakterien und höheren Wasserpflanzen verbrauchen. Um die Auswirkung hoher Kieselsäurekonzentrationen zu untersuchen, dosierte ich wöchentlich im Zusammenhang mit dem Teilwasserwechsel etwa 100 mg/l SiO2 unter Verwendung einer Natronwasserglaslösung aus der Apotheke, die etwa 360 g/l SiO2 enthielt. In einem der 4 Becken trat verstärktes Braunalgenwachstum auf, in einem weiteren mit gutem Pflanzenwuchs war nichts zu beobachten.

In zwei weiteren mit CO2 gedüngten Becken war eine deutlich stärkere Assimilation zu sehen, jedoch der Sauerstoffgehalt als halbquantitatives Maß für die Assimilationsrate nahm in beiden Becken lediglich um etwa 10% zu. In drei von vier Becken traten nach etwa 3 Monaten Verstopfungen an den Schaumstoffmattenfiltern auf sowie starke Schlammansammlungen in der Filterkammer. Eine starke Abnahme des Kieselsäuregehalts über die Woche war bereits analysiert worden.

Insgesamt ist die Kieselsäure im Süßwasserbecken positiv zu bewerten. Sehr hohe Gehalte werden abgeschieden. Zur normalen Versorgung reicht die beim regelmäßigen Teilwasser-wechsel zugefügte Kieselsäure aus.

4.) Soll das Zusatzwasser für Seewasserbecken entkieselt sein?

Heute wird allgemein empfohlen, vollentsalztes Wasser sowohl als Zusatzwasser als auch zur Bereitung von künstlichem Seewasser zu benutzen. Dem würde ich beipflichten, wenn es sich um gemischt besetzte Becken mit Fischen und niederen Tieren handelt. Bei Überschreitung eines Kieselsäuregehalts von 0,5 mg/l kommt es unweigerlich zu einem sichtbaren Braunalgenwachstum, da ja alle anderen Nährstoffe reichlich vorhanden sind. In Seewasserbecken, die praktisch nur niedere Tiere enthalten, sind Nitrat und Phosphat auch mit empfindlichen Tests nicht mehr nachweisbar. Höhere Algen wachsen garnicht oder kümmerlich. Unter solchen Randbedingungen, wie sie auch auf dem Korallenriff herrschen, richtet die Kieselsäure im Zusatzwasser keinen Schaden an, eher Nutzen! Für die Mikrobiologie des Aquariums und für manche Arten von niederen Tieren (z.B. Kieselschwämme) ist Kieselsäure notwendig. In den Weltmeeren sind etwa 4 mg/l SiO2 enthalten.

5.) Bestimmung von Kieselsäure

Einen qualitativen Nachweis von Kieselsäure im Aquarienwasser haben wir an der Deckscheibe des Aquariums oder auf Glasscheiben oberhalb des Wasserspiegels. Der angetrocknete Belag läßt sich nur zum Teil mit dem Essiglappen entfernen. Ein Teil geht nur mit der Rasierklinge oder vergleichbaren mechanischen Methoden ab. Das ist Kieselsäure!

Die handelsüblichen Testmethoden arbeiten kolorimetrisch. Mit einer Hilfsreaktion wird eine blaue Farbe erzeugt, deren Farbtiefe innerhalb bestimmter Grenzen proportional der Konzentration ist. Zunächst wird der Probe eine schwefelsaure Molybdatlösung zugefügt. Es entsteht ein gelber Farbkomplex mit Kieselsäure, aber auch mit Phosphat. Durch ein weiteres Reagenz (Oxalsäure, Citronensäure oder Weinsäure) wird der Phosphatkomplex zerstört. Mit einem Reduktionsmittel wird der gelbe Kieselsäurekomplex zu Molybdänblau reduziert. So läßt sich in der Natur und im Aquarium auf einfache Weise der Kieselsäuregehalt feststellen.

Autor: Dr. Gerd Kassebeer   Stand: 1991-02-01   File: http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/Kieselsaeure.htm   User online: 2