Aquaristik ohne Geheimnisse

(C) Dr. Gerd Kassebeer 11.2000

Wußten Sie schon, daß Fische Ammoniak ausatmen?

Und daß es giftig ist?

Während Säugetiere, insbesondere Menschen, die stickstoffhaltigen Abfälle fast ausschließlich in Form von Harnstoff über die Blase ausscheiden, entsorgen Fische ihren Stickstoff überwiegend als Ammoniak (NH3) über die Kiemen. Wenn dieser giftige Ammoniak nicht auf irgend eine Weise wieder verschwindet, kann er die Fische umbringen. Verschiedene Autoren geben für Fische NH3-Grenzwerte je nach Einwirkungszeit, Temperatur und Fischart von 0,01 - 2 mg NH3/L an.

1.) Ammoniak entsteht aus Ammoniumionen und umgekehrt

Schwimmt der Fisch in saurem Wasser, so etwa bei pH 6, dann wird der ausgeatmete Ammoniak (NH3) sofort praktisch vollständig in Ammoniumionen (NH4+) umgewandelt, und letztere sind praktisch ungiftig! Beide Stoffe stehen in einem pH-abhängigen Gleichgewicht zueinander. Bei 25°C und pH 9,2 liegen von beiden Stoffen gleich viele Ionen bzw. Moleküle vor, bei pH 8,2 nur noch 10% als Ammoniak, bei pH 7,2 1% usw. Bei pH 6 sind es dann nur noch 0,06%. Wird durch einen Wasserwechsel z. B. der pH von 6 auf 8 angehoben, was durchaus im Bereich des Möglichen liegt, und liegt die Ammoniumkonzentration bei 1 mg NH4/L, so steigt der Ammoniakanteil von 0,0006 auf 0,06 mg NH3/L. Das ist für empfindliche Fische bereits toxisch!

2.) Zur Chemie des Ammoniums

Durch Meßgeräte oder Tropftest wird üblicherweise die Summe der Ammonium- und Ammoniakkonzentration gemessen und meistens als Gesamtammonium (NH4+ + NH3) angegeben. Die pH-Messung gibt Auskunft darüber, in welchem Verhältnis die beiden Stoffe zueinander stehen. Das Ammoniumion verliert ein Wasserstoffion (H+), wenn es in Ammoniak übergeht, umgekehrt nimmt ein Ammoniakmolekül ein Wasserstoffion auf, wenn es ein Ammoniumion wird.

3.) Wege der Stickstoffverbindungen im Aquarium

Die Hauptmenge der Stickstoffverbindungen wird in Form von Fischfutter ins Aquarium getan. Kommerzielle Aquariendünger enthalten wenig oder keinen gebundenen Stickstoff. Trockenfutter besteht zu etwa 50% aus Proteinen, gefrorene Mückenlarven zu etwa 10%. Proteine enthalten 15-18% gebundenen Stickstoff. Etwa 90% der gefressenen Proteine werden vom Fisch veratmet und der darin enthaltene Stickstoff als Ammoniak ausgeschieden. Nicht gefressene sowie ausgeschiedene Proteine werden durch Bakterien weiter zerlegt. Durch Ammonifikation wird weiterer Ammoniak frei. Nach meinen Messungen können dabei zunächst etwa 0,1 mg NH3/L in der Stunde frei werden.

Je nach pH-Wert wird NH3 mehr oder weniger vollständig in NH4-Ionen umgesetzt (siehe oben). Wüchsige Pflanzen nehmen einen mehr oder weniger großen Teil des Ammoniums auf, zumindest während der Beleuchtungsphase. Der Rest wird von nitrifizierenden Bakterien der Gattung Nitrosomonas in Nitrit und von Bakterien der Gattung Nitrobacter in Nitrat verwandelt, soweit eine eingefahrene Bakterienpopulation vorhanden ist. In einem biologischen Filter mit einer Verweilzeit des Aquarienwassers von 4 Minuten wurden im Einlauf 0,1 mg NH4/L gemessen, im Auslauf 0,0 mg NH4/L. So schnell kann das gehen! Nitrat wird bei schwach besetzten Becken vollständig durch üchsige Pflanzen verbraucht, bei überbesetzten Becken reichert es sich im Wasser an und muß per Wasserwechsel entsorgt werden.

4.) Normale Ammoniumkonzentrationen im Aquarium

In meinen Becken , die mit Kreiselpumpen ausgestattet sind und den Beckeninhalt 2-3 mal in der Stunde filtrieren, ist kein Ammonium nachweisbar. In Becken mit einer Filterrate von einmal pro Stunde liegen je nach zeitlichem Abstand von der Fütterung 0-0.2 mg NH4/L vor. Bei frisch eingerichteten Becken können in den ersten Tagen mehrere mg NH4/L erreicht werden, solange nicht ausreichend ammoniumoxidierende Bakterien vorhanden sind. Der Einlaufvorgang sollte mit einem Tropftest überwacht werden, damit keine fischtoxischen Ammoniakkonzentrationen erreicht werden und länger bestehen bleiben.

5.) Ammoniak-Unfälle

Vor einigen Monaten wurden ich von einem Freund zu Hilfe gebeten, dem junge Forellen in großer Zahl verstarben. Ich analysierte das Wasser und fand bei 11,6°C 2 mg NH4/L und einen pH von 7,8. Das ergibt eine Konzentration von ungefähr 0,1 mg NH3/L. Durch Erhöhung des Wasserdurchlaufs, Reduzierung der Fütterung und Belüftung wurden die restlichen Tiere gerettet. Ein anderer Fall: Ich bekam 12 Grundeln aus der Gattung Mugilogobius in einem Plastikbeutel. Die Tiere versuchten mit Hilfe ihrer saugnapfartigen Bauchflossen aus dem Wasser herauszukriechen. Ich hatte die Vermutung, daß das Wasser die Ursache für ihr seltsames Verhalten war und analysierte.
Der pH war 7,6, die Ammoniumkonzentration etwa 10 mg NH4/L! Daraus errechnete sich eine Ammoiakkonzentration von 0,25 mg NH3/L. Die Tiere überlebten, weil sie noch vor der Analyse in ein eingefahrenes Aquarium umgesetzt wurden!

Ein weiterer Fall: Eine Gerdaschale halb voller Aquarienwasser diente als Aufzuchtschale für Killifischlarven. Bei einer Routinemessung wurden 2mg NH4/L und 2mg NO2/L bei pH 6 gefunden. Verluste waren noch nicht sichtbar, aber mein Schreck war groß. Nach Einbringung grüner Fadenalgen und 2 Wochen später war trotz intensiver Fütterung kein Ammonium mehr nachweisbar.

6.) Meßtechnik

Alle hier berichteten Messungen und viele andere wurden mit dem DUPLA-Tropftest für Ammonium durchgeführt. Dazu wurde das Prüfröhrchen mit Aquarienwasser gespült, dann mit 6 ml Probe gefüllt und von den 3 Reagenzien je 5 Tropfen addiert. Nach Mischen wurde 5 min. gewartet und der Meßwert auf der Farbskala ermittelt. Bei Konzentrationen über 5 mg NH4/L wurde die Probe mit destilliertem Wasser 1:1 verdünnt. Wenn man bedenkt, wie wenig man über die Ammoniak-Toxizität der verschiedenen Fischarten weiß, ist der Test genau genug. Die Genauigkeit ließe sich durch Verwendung von Vergleichslösungen bei Bedarf steigern.

7.) Angaben über die Fisch-Toxizität von Ammoniak

H. J. Krause schreibt im Handbuch Aquarienwasser (bede-Verlag, 3. Aufl., 1995, S. 20), daß ab 0,02 mg NH3/L mit Schädigungen gerechnet werden muß. Ab 0,2 mgNH3/L sind schon nach wenigen Tagen Todesfälle zu erwarten. Gerhard Ott (Das Aquarium 378, Dez. 2000, S. 69) zitiert Toxizitätsangaben mehrerer Autoren, wonach Forellen und Aale besonders empfindlich sind, während Lebendgebärende weniger empfindlich sind. Die Zahlenangaben bewegen sich bei 0,01 mg NH3/L für Aalen und Forellen, bei 0,5-2,5 mg NH3/L für Lebendgebärende. Die zulässige Höchstkonzentration für Trinkwasser beträgt zwar in der EU 0,5 mg NH4/L und der Richtwert 0,05 mg NH4/L ( L. A. Hütter: Wasser und Wasseruntersuchung. 6. Aufl. 1994, Salle-Verlag, Frankf./Main).

8.) Wie läßt sich eine Ammonakvergiftung vermeiden?

Offenbar müssen zwei Faktoren gemeinsam auftreten, und zwar viel Ammonium und ein hoher pH. Zuviel Ammonium kann bei neuen Becken, nach starker Fütterung oder nach Vernichtung der Bakterienflora auftreten. Ein hoher pH-Wert tritt bei einer hohen Wasserwechselrate mit hohem KH auf, sowie bei rigoroser Belüftung durch Austreiben von Kohlendioxid. Auch starke Assimilation kann den pH stark erhöhen.

D. Untergasser: Krankheiten der Aquarienfische. Kosmos, Stuttgart 1989 schreibt über das Verhalten der Fische bei Ammoniakvergiftung: "Sie schwimmen normal, atmen jedoch heftig. Sie stehen unter der Wasseroberfläche und atmen unregelmäßig und schnell. Sie bewegen sich immer weniger, werden apathisch und sterben in voller Farbe. Ihre Kiemen sind lila verfärbt." Bei Beobachtung der Symptome sollten sofort Ammonium und pH gemessen werden und im Bedarfsfall der pH abgesenkt werden.

9.)Pflanzen und Ammonium

Nach den spärlichen Hinweisen in der Literatur scheint es bei den verschiedenen Pflanzenarten mit der Vorliebe für Nitrat oder Ammonium als Stickstoffquelle unterschiedlich zu sein, wenn auch alle Arten in der Lage sind, sowohl ausschließlich das eine oder andere als Stickstoffquelle zu nutzen. Kultiviert man z. B. Pflanzen in Nährlösungen, so ist Nitrat durch Ammonium vollständig ersetzbar.
Nach Amberger: Pflanzenernährung. (Ulmer, Stuttgart 1996) ist Ammoniak ein starkes Pflanzengift. Zahlenwerte werden jedoch nicht genannt. Ich vermute, daß im Aquarium mit 0,1 mg NH4/L und 10 mg NO3/L Wasserpflanzen überwiegend auf das Nitrat zurückgreifen, sodaß Ammonium für deren Ernährung eine untergeordnete Rolle spielt. Trotzdem wird verschiedentlich die Ammoniumdüngung bei Aquarien propagiert, trotz des Risikos einer Sauerstoffzehrung durch das überschüssige Ammonium, das ja zu Nitrat veratmet wird (Nitrifikation), mit einem Sauerstoffverbrauch von 4 mg O2/L bei 1 mg NH4/L.
Autor: Dr. Gerd Kassebeer   Stand: 2000-11-01   File: http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/ammonium.htm   User online: 1