Aquaristik ohne Geheimnisse

Normalerweise schmücke ich mich nicht mit fremden Feden, da Nitrit aber schon sehr vielen Zierfischen das Leben gekostet hat, soll an dieser Stelle eine tiefgreifende Erläuterung stehen. Es wird daraus deutlich, daß sich die Fische nicht gegen diesen Stoffwehren können und das es auf die Randbedingung ankommt, ob, wann und wie schnell das Nitrit wirkt. Daher kann man nicht davon ausgehen, daß ein bischen mehr Nitrit nicht schadet. Diese Erläuterung ist das Ergebnis verschiedener Diskussionen. Sie wurde im Original gepostet in der Dennerle-Newgroup "Gruenes Brett". Die kursiven Texte wurden von mir eingefügt.

Nitrit NO2

Autor: Lars Dettmann, gepostet im "Grünen Brett"

Die Weg des Nitrit in den Fisch und seine Wirkung im Fischkörper:

Nitrit gelangt auf zwei, mit der Nahrung u.U. auch auf drei Wegen in den Organismus. Der schnellste und effektivste Weg ist die Diffusion als undissoziiertes Molekül der salpetrigen Säure. Diese ist dann von großer Bedeutung, wenn der pH-Wert des Wassers unter dem pH- Wert des Fischblutes (meist 7,2 bis 7,4) liegt. Das HNO2-Molekül diffundiert durch das Kiemenepithel und dissoziiert im Blutplasma oder im Erythrozyten zu H(+) und NO2(-).

Erfolgt die Dissoziation im Blutplasma, muß noch die Membran des Erythrozyten "überwunden" werden. Da in durch diese Membran Cl(-)-Ionen gegen HCO3(-) aus der CO2- Bindung ausgetauscht werden, kann auf diesem Wege das An-Ion NO2(-) als blinder Passagier in das Rote Blutkörperchen eindringen. Die Affinität des Hämoglobin gegenüber NO2(-) ist wesentlich höher, als die zu O2. Binden sich NO2(-)-Ionen an die zentralen FeII-Atome, werden diese zu FeIII oxydiert. Damit fällt der Bindungspunkt für O2-Moleküle aus. Solches Hämoglobin nennt man Methämoglobin. Übersteigt dessen Konzentration im Blut des Fisches ca. 5% des Gesamt- Hb, erlebst Du in Abhängigkeit vom P O2 und P CO2 um und in den Kiemen, Temperatur, O2-Bedarf des Fisches und vielen anderen Faktoren mehr oder weniger starke Symptome einer Nitritvergiftung. Desoxygeniertes, also nicht mit O2 beladenes Hb hat eine bläuliche, Methämoglobin eine bräunliche Farbe = Kiemenfarbe. Der Fisch leidet hauptsächlich an O2- Mangel. Weitere Schädigungen im Organismus sind möglich.

Anmerkung O.D.:Dadurch erklärt sich auch, warum die Fische in Nitritbrühe oftmals sehr heftig atmen, obwohl der O2-Gehalt des Wasser ok ist. Heftig atmende Fische, z.B. in frisch eingerichteten Aquarien oder in Aufzuchtschalen, deuten also auf eine mögliche Nitritvergiftung hin.

Der zweite Weg des Nitrit-Ions ähnelt dem letzten Teil der ersten Variante. Die Durchdringung von permeablen Membranen über die Diffusion ist für geladene Teilchen schwer machbar. Bei höheren pH-Werten des Wassers geht´s also kaum auf diesem Weg. Der Fisch hat aber im Süßwasser noch ein anderes Problem. Seine Körperflüssigkeiten weisen eine wesentlich höhere Ionen-Konzentration auf, als das ihn umgebende Wasser. In der Folge des so anstehenden osmotischen Druckes dringen Wassermoleküle durch die Membranen in den Organismus ein und "verdünnen" quasi die Ionenkonzentration in den Flüssigkeiten des Organis- mus. Um diesen Umstand und ein Aufquellen des Körpers zu vermeiden, scheidet der Fisch dieses Wasser über die Nieren als Urin wieder aus. Dabei gehen jedoch ständig Ionen verloren. Diese werden über die Nahrung und die schon erwähnten Chloridzellen im Kiemenepithel und verschiedenen Hautpartien nachgeliefert. Durch die Membranen der Chlorid-Zellen werden über spezielle Protein-Moleküle unter ATP-Verbrauch hauptsächlich Cl(-)-Ionen aufgenommen. Dem dadurch an der Membran der Zelle entstehenden Potential folgen nun Kat-Ionen durch die Membran in das Zellplasma. So bekommt der Fisch Ionen-Nachschub aus dem Wasser in das Blut. Diesen Nachschub muß er bei geringer LF und somit hohem osm. Druck in den Organismus wesentlich effektiver bringen, als in einer Ionen-Suppe mit LF bei 1000.

Das Problem dabei: bei geringer LF gibt´s ´ne geringere Auswahl an Ionen. Wird in der Situation Cl(-) zum Minimum, so daß Nitrit-Ionen in die "Verlegenheit" kommen, in den Organismus geschläust zu werden, ist es drin im Körper. Sind aber durch eine höhere LF und gleichzeitig hohe Cl(-)-Gehalte diese Vorbedingungen nichtgegeben, können Fische ganz erstaunliche Nitritgehalte vertragen, bei denen in anderem Wasser kein Fisch mehr schwimmt.

Ergebnis:

Die Giftwirkung von Nitrit im Organismus läßt sich kaum beeinflussen. Daher ist das Eindringen des Nitrit in den Organismus der Punkt, an dem es Ansatzmöglichkeiten gibt. Sofern sich also erhöhte Nitritwerte einstellen, sind diese und deren Ursachen einzugrenzen und umgehend abzustellen. Die undissoziierte Salpetrige Säure kann ungehindert durch die Membran Kiemenepithel diffundieren. Mit steigender Temperatur und/oder steigendem pH-Wert dissoziiert HNO2, so daß der Anteil des Nitrit im Dissoziationsgleichgewicht größer wird. Damit sinkt so die Gefahr durch HNO2. Die Aufnahme von Nitrit kann unter den genannten Vorrausetzungen über die Chloridzellen erfolgen. Diese Aufnahme läßt sich durch ausreichende Cl(-)-Versorgung des Organismus u.U. deutlich verringern aber wahrscheinlich nicht völlig verhindern. Es empfiehlt sich daher, bei erhöhten Nitritwerten im Rahmen der Verträglichkeit für die Fische, den pH-Wert vorübergehend in Bereiche zwischen etwa 7 und 7,5 zu bringen. Dabei ist unbedingt auf die Konzentration von NH3/NH4(+) im Wasser zu achten um nicht zusätzlich Probleme mit Ammoniak zu provozieren. Ebenfalls als befristete Maßnahme kann die Verbesserung der Cl(-)-Versorgung durch entsprechende Zugabe von Kochsalz oder anderen geeigneten Substanzen helfen, das Eindringen von Nitrit in den Fischorganismus zu behindern.
Autor: Lars Dettmann   Stand: 2002-01-01   File: http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/nitrit.htm   User online: 3