Darum sind Korallen Tiere und keine Pflanzen
Wenn man zum ersten Mal ein Riffaquarium sieht oder am Meer über eine flache Lagune schnorchelt, wirken Korallen zunächst wie farbige, feste Pflanzen. Sie stehen an Ort und Stelle, verzweigen sich wie Büsche, wachsen langsam und erinnern stark an eine Mischung aus Gestein und Gewächs. Genau dieser Eindruck führt seit Jahrhunderten zu Verwirrung. Viele Menschen – selbst solche, die schon länger im Hobby unterwegs sind – haben irgendwann einmal angenommen, Korallen seien Pflanzen oder zumindest irgendetwas dazwischen. Tatsächlich gehören Korallen aber eindeutig zum Tierreich. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern mit allen typischen Merkmalen eines echten Tieres.
In diesem ausführlichen Artikel schauen wir uns ganz genau an, warum das so ist. Wir beleuchten, wie Korallen aufgebaut sind, wie sie sich ernähren, wie sie sich fortpflanzen, welche Rolle ihre Symbiose mit Algen spielt und warum all das sie eindeutig in das Reich der Tiere einordnet. Der Text ist bewusst sehr ausführlich gehalten, damit du am Ende nicht nur eine Vorstellung, sondern ein wirklich solides Verständnis davon hast, was Korallen aus biologischer Sicht ausmacht. Gleichzeitig bekommst du Hintergrundwissen, das dir beim Halten eigener Korallen im Aquarium hilft – nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Denn nur wer versteht, was Korallen tatsächlich sind, kann auf Dauer ein stabiles, gesundes Riffaquarium führen.
Was Korallen im Kern ausmacht
Der grundlegende Bauplan eines Tieres
Bevor wir ins Detail gehen, lohnt sich ein Blick darauf, was ein Tier überhaupt definiert. Ein Tier ist ein vielzelliges Lebewesen, das keine Photosynthese betreibt, Sauerstoff atmet, sich aktiv ernähren muss, zumindest in einer Lebensphase beweglich ist und eine bestimmte Art der Zellorganisation besitzt. Genau diese Merkmale finden wir auch bei Korallen, selbst wenn sie auf den ersten Blick nicht so wirken.
Korallen gehören in die Gruppe der Nesseltieren, zusammen mit Quallen, Seeanemonen und anderen eher ungewöhnlich aussehenden Lebensformen. Wer einmal eine Koralle im Detail betrachtet hat – am besten eine Polypenaufnahme aus nächster Nähe – erkennt schnell Parallelen zu kleinen Anemonen oder sogar Quallen: ein ringförmiges Maul, Tentakel, ein weicher Körper, der bei Stimulation reagieren kann. All das sind klare tierische Strukturen.
Ein Korallenpolyp: klein, aber eindeutig tierisch
Jede Koralle besteht im Grunde aus vielen einzelnen Polypen. Ein Polyp ist ein winziges, tentakelbewehrtes Lebewesen, das aktiv Nahrung aus dem Wasser fängt. Das Maul sitzt in der Mitte, die Tentakel drumherum. Außerdem besitzt der Polyp sogenannte Nesselkapseln, also kleine Stachelzellen, mit denen er Beute lähmen kann. Pflanzen haben so etwas grundsätzlich nicht.
Auch wenn ein einzelner Polyp nicht besonders beeindruckend wirkt, ist seine Struktur ein klassischer Vertreter aus dem Tierreich. Polypen haben kein Gehirn, aber ein Nervennetz. Sie haben kein Herz, aber sie reagieren auf Reize. Und sie fangen Nahrung, anstatt sie „zu ernten“.
Warum Korallen trotzdem wie Pflanzen wirken
Dass Korallen im Aquarium oder im Meer völlig unbeweglich aussehen, liegt daran, dass sie ein hartes Skelett bilden können. Dieses kalkhaltige Skelett bleibt an Ort und Stelle und ist der Grund, warum man Korallen leicht für Pflanzen oder Steingewächse halten kann. Die Polypen selbst sind aber beweglich, können sich zusammenziehen, können die Tentakel ausstrecken und auf die Umwelt reagieren. Selbst ihre Wachstumsrichtungen sind tierisch gesteuert, auch wenn sie durch Licht und Strömung beeinflusst werden.
Die Ernährung der Korallen
Korallen müssen fressen – ganz wie andere Tiere
Einer der wichtigsten Gründe, warum Korallen Tiere sind, liegt in ihrer Ernährung. Pflanzen betreiben Photosynthese und erzeugen ihren Zucker selbst. Korallen können das nicht. Sie sind darauf angewiesen, Nahrung aus dem Wasser zu fangen: Plankton, mikroskopisch kleine Partikel und gelöste Nährstoffe. Mit ihren Tentakeln greifen sie nach Beute und ziehen sie in ihr Maul. Manche Arten sind sogar sehr aktiv darin, nachts kleine Tiere zu schnappen.
Die berühmten Zooxanthellen – symbiotische Algen
Der vielleicht größte Irrtum entsteht durch die Zooxanthellen – das sind einzellige Algen, die in den Geweben vieler Korallen leben. Diese Algen betreiben Photosynthese und liefern den Korallen Nährstoffe. Das klingt natürlich sofort nach einer Pflanze. Aber der Trick dabei ist: Die Algen sind nur Gäste. Die Koralle selbst ist ein Tier, das sich einen „Mietvertrag“ mit Pflanzen abgeschlossen hat. Es handelt sich um eine Symbiose, nicht um eine echte Verschmelzung.
Die Algen profitieren vom Schutz innerhalb des Korallengewebes, während die Koralle von den Produkten der Photosynthese profitiert. Doch selbst die bestbeleuchtete Koralle muss zusätzlich Nahrung fangen, um gesund zu bleiben. Kein Tier kann überleben, wenn es vollständig auf Photosynthese angewiesen wäre.
Warum Licht so wichtig ist, aber keine Pflanzenfunktion darstellt
Korallen brauchen Licht, aber nicht, weil sie Pflanzen wären. Sie brauchen Licht, weil ihre symbiotischen Algen Licht benötigen. Pflanzen sind Lichtsammler, Korallen sind Lichtnutzer durch einen Umweg. In einem Riffaquarium sorgt genau das manchmal für Missverständnisse: Korallen stehen „hell“, wachsen schneller und werden farbenfroher – aber all das geschieht, weil ihre Algen arbeiten, nicht sie selbst.
Die Fortpflanzung der Korallen
Sexuelle Vermehrung: Ei und Spermien wie bei anderen Tieren
Korallen betreiben geschlechtliche Fortpflanzung. Viele Arten werfen synchron Eier und Spermien ins Wasser. Daraus entsteht eine Larve, die frei schwimmfähig ist. Ein Pflanzenwesen würde sich niemals mit dieser Art von Lebenszyklus fortpflanzen. Die Larven der Korallen schwimmen aktiv, suchen sich einen geeigneten Untergrund und setzen sich dort fest. Erst dann wird aus ihnen ein festsitzender Polyp, der später eine große Kolonie bilden kann.
Asexuelle Vermehrung: Knospung und Fragmentierung
Korallen können sich auch ungeschlechtlich vermehren. Ein Polyp kann sich teilen, eine Kolonie kann wachsen, und sogar Bruchstücke können zu neuen Tieren werden. Das ist im Aquarium besonders bekannt, weil man viele Korallen durch Fragmentierung vermehren kann. Auch das wirkt vielleicht zuerst pflanzenartig, ist aber in Wirklichkeit eine tierische Strategie, die viele Nesseltierarten nutzen.
Der innere Aufbau der Korallen
Kein Chlorophyll, keine Pflanzenstrukturen
Korallen enthalten selbst kein Chlorophyll. Das grüne Pigment findet man nur in den Algen, die innerhalb des Gewebes leben. Die Koralle selbst ist farblos oder leicht pigmentiert. Das heißt: Je nachdem, ob die Zooxanthellen vorhanden sind oder nicht, verändert sich die Farbe der Koralle. Pflanzen sind dagegen immer auf Chlorophyll angewiesen.
Nesselzellen: ein Tiermerkmal
Nesselzellen, sogenannte Cnidocyten, sind ein exklusives Merkmal der Tierwelt. Sie können stechen, lähmen und Beute festhalten. Keine Pflanze hat auch nur eine annähernd ähnliche Struktur. Dass Korallen über Tausende solcher Zellen verfügen, zeigt unmissverständlich, dass sie Tiere sind.
Ein echtes Nervennetz
Korallen besitzen ein einfaches Nervensystem. Sie reagieren auf Licht, Berührung oder chemische Reize. Pflanzen reagieren nur hormonell und viel langsamer. Korallen können sich zusammenziehen, Tentakel ausfahren oder auf Störungen reagieren. All das lässt keinen Zweifel daran, dass wir es mit Tieren zu tun haben.
Häufige Missverständnisse rund um Korallen
„Korallen stehen im Licht, also sind sie Pflanzen.“
Das Licht brauchen ihre Algen, nicht die Koralle selbst. Es ist eine Kooperation, keine Pflanzenfunktion.
„Korallen bewegen sich nicht, also sind sie Pflanzen.“
Der starre Kalkstock bewegt sich nicht, aber die Polypen sind beweglich. Zudem bewegen sich Korallen im Larvenstadium frei durchs Wasser.
„Korallen wachsen wie Pflanzen.“
Das stimmt formal – aber die Mechanismen dahinter sind tierisch gesteuert. Das Wachstum geht vom Polypen aus, nicht von einer photosynthetischen Struktur.
Bedeutung für das Aquariumhobby
Warum dieses Wissen wichtig ist
Wer versteht, dass Korallen Tiere sind, behandelt sie anders. Man achtet mehr auf Fütterung, Wasserqualität, Strömung und Lichtbalance. Außerdem erkennt man, dass Korallen aktiv Stress empfinden können und deutlich sensibler sind als viele Pflanzen, die man einfach ins Aquarium setzt und wachsen lässt.
Artgerechte Bedingungen
Als Tiere brauchen Korallen stabile Lebensbedingungen. Sie reagieren auf Veränderungen in Temperatur, Salzgehalt, Nährstoffen und Licht. Sie benötigen eine Mikroumgebung, die ihren biologischen Anforderungen entspricht. Ihre Symbiosealgen verschieben diese Anforderungen zusätzlich.
FAQs
Sind alle Korallen Tiere?
Ja, ausnahmslos alle Korallen gehören zum Tierreich.
Haben Korallen ein Gehirn?
Nein, aber sie haben ein Nervennetz, das Reize weiterleitet.
Können Korallen ohne Licht überleben?
Einige wenige Arten können das, die meisten jedoch nicht, weil ihre symbiotischen Algen Licht benötigen.
Können Korallen sich bewegen?
Die Kolonie nicht, aber die Polypen schon. Und die Larven sind frei schwimmfähig.
Brauchen Korallen Nahrung?
Ja, Licht allein reicht nie. Sie müssen organische Nahrung aufnehmen.
Fazit
Korallen gehören ganz klar in das Tierreich, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht wie typische Tiere wirken. Sie besitzen Polypen mit Tentakeln, fressen aktiv, haben ein Nervennetz, Nesselkapseln und einen tierischen Lebenszyklus. Ihre pflanzenähnliche Erscheinung stammt einzig von ihrer Zusammenarbeit mit symbiotischen Algen und dem festen Kalkskelett, das sie bilden. Wer Korallen als Tiere begreift, versteht ihr Verhalten, ihre Bedürfnisse und ihre Empfindlichkeit deutlich besser und kann sein Riffaquarium langfristig stabil und gesund führen.





