Die Community mit 19.501 Usern, die 9.160 Aquarien, 35 Teiche und 64 Terrarien mit 167.349 Bildern und 2.576 Videos vorstellen!
Neu
Login
Wir werden unterstützt von:

Interview mit Autor Otto Rötter

Interview mit Autor Otto Rötter

Einrichtungsbeispiele.de hat mit Otto Rötter dem Autor des bekannten Einsteiger-Buchs ´Das Pflegeleichte Aquarium´ gesprochen:

Was hat Sie selbst zur Aquaristik gebracht?

Einige Häuser neben meinem Elternhaus gibt es einen Karpfenzüchter, der früher ein Becken mit Goldfischen im Fenster hatte. Die haben mich als Junge von 8-9 Jahren (also vor etwa 50 Jahren) so fasziniert, dass ich mir einen kaufte und in ein 10l-Gurkenglas gesetzt habe. Das ging natürlich schief und der Fisch ist recht schnell gestorben. Daraufhin bekam ich mein erstes "richtiges" Aquarium, ein 40l-Rahmenbecken mit luftbetriebenem Innenfilter und die ersten exotischen Fische. Als meine kleine Schwester zwei Jahre später meine Fische umbrachte, indem sie Insektenspray großzügig im Raum und auch auf der Luftpumpe verteilte, hatte ich erst einmal die Lust verloren und das Becken aufgegeben. Mit 20, als Student hat mich mein damaliger Zimmernachbar dann wieder zur Aquaristik gebracht. Auf ein erstes 60l-Becken mit Guppies folgte dann recht schnell ein Aquarium mit 200l. Meine ersten Fische nach den Lebendgebärenden waren dann Malawi-Buntbarsche (M. auratus) die damals gerade in Mode kamen (Heute würde ich die natürlich nicht mehr in 200l halten). Seit damals hatte ich dann immer mindestens zwei, oft auch mehr Becken gleichzeitig in Betrieb. Nach den Malawis kamen mittelamerikanische Buntbarsche (A. nigrofasciata), bis dann vor einigen Jahrzehnten die Labyrinther meine Favoriten wurden. Durch einen anderen Studienkollegen, Harald Fischer, wurde Ende der Neunziger mein Interesse an Lebendfutter geweckt, speziell an den Kleinkrebsen. Im AK Lebendfutter Schwaben haben wir dann die Idee des "Mikrotop" entwickelt, eines kleinen (5 bis 20 Liter) Beckens ohne Filter mit Daphnien, Wassserasseln und Schnecken. Später kamen dann Hyalella dazu und etwa um 2000 haben wir die ersten Zwerggarnelen (heute N. davidi) in solchen Becken gezüchtet. In gewisser Hinsicht waren wir somit die ersten "Nano-Aquarianer", ohne damals zu ahnen, was für ein Trend daraus werden werden sollte.

Aquaristik als Hobby ist nicht sehr in Mode. Welche Gründe gibt es dafür?

Möglicherweise ist es so, dass Menschen, die sich nicht zu stark engagieren wollen, und die früher Aquarien nur so nebenher betrieben haben, sich heute lieber mit den elektronischen Medien beschäftigen. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass das Berufsleben die Menschen heute mehr fordert als früher. Auch Anschaffungs- und Energiekosten könnten ein Übriges dazu beitragen, dass viele Menschen vor der Anschaffung eines Aquariums zurückschrecken. Andererseits habe ich den Eindruck, dass die Zahl der wirklich engagierten Aquarianer, die sich intensiv um die richtige Haltung ihrer Fische bemühen eher sogar zunimmt. Ich denke, dass hier das Internet und die sozialen Medien (fb und andere) durch die Möglichkeit des Erfahrungsaustauschs und der Beratung durch "alte Hasen" positiv wirkt.

Welche Trends gibt es in der Aquaristik im Moment und welche werden von Dauer sein?

Ich sehe mehrere Trends, die sich teilweise überschneiden, teilweise aber auch widersprechen. Zuerst einmal die Nano-Aquaristik, der ich durchaus positiv gegenüberstehe, solange sie tiergerecht betrieben wird. Das geht sehr gut mit Garnelen, bei Fischen eignen sich nur einige wenige, eher für Spezialisten geeignete Arten, für Becken unter 54 Liter. Auf die Einzelhaltung von Betta splendens Hochzuchten in Kleinaquarien möchte ich hier nicht näher eingehen, nur insoweit, dass dies nicht meine bevorzugte Art der Aquaristik ist. Ein zweiter Trend, der sich oft mit der Nano-Aquaristik überschneidet, ist das Scaping. Auch hier sollte das Wohl der gepflegten Lebewesen im Vordergrund stehen und nicht nur die Gestaltung der Landschaft im Aquarium und das Außendesign des Beckens. Als dritte Entwicklung sehe ich das computerisierte Hi Tech Aquarium. LED-Beleuchtungen mit Wettersimulation und computergesteuertes pH-Controlling dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass keine noch so ausgeklügelte Technik eine artgerechte Einrichtung und einen durchdachte Zusammenstellung der Arten ersetzen kann. Ob es wirklich sinnvoll ist, erst einen sanften Sonnenaufgang zu simulieren, damit die Fische nicht erschrecken, und später am Tag die Blitze eines Mittagsgewitters, sei dahingestellt.

Noch nicht die große Mode, aber im Kommen sind die Biotopaquaristik und die naturnahe Aquaristik. Mir gefallen solche Aquarien immer sehr gut, wobei man, meiner Meinung nach, auch nicht unbedingt zu puristisch in der Nachbildung des natürlichen Habitats verfahren muss. Fische, die in ihrem natürlichen pflanzenfreien oder -armen Lebensraum große Strecken vor potentiellen Gefahren flüchten können, nehmen im begrenzten Raum auch eines großen Beckens meiner Erfahrung nach auch gerne ein Pflanzendickicht als Versteck und Rückzugsgebiet an.

Was ist nötig, damit sich wieder mehr Menschen für Aquarien begeistern?

In Gesprächen mit Bekannten und mit Besuchern auf Ausstellungen kommt immer wieder die Angst zum Ausdruck, ein Aquarium mache zu viel Arbeit. Man sollte diesen Menschen klar machen, dass sich die notwendige Arbeiten durchaus in Grenzen halten können, wenn man ein Becken vernünftig einrichtet, betreibt und vor allem nicht überbesetzt. Natürlich gibt es notwendige Tätigkeiten, die man nicht vernachlässigen darf, z.B. die Wasserwechsel, aber diese nehmen, gut geplant, weniger Zeit in Anspruch als der Aufwand für viele andere Steckenpferde. Viele Menschen scheuen auch die Anschaffungskosten. Hier sollte man Interessierten klar machen, dass sie nicht unbedingt die neueste Hi-Tech-Ausstattung benötigen, die ihnen vielleicht von einem Händler empfohlen wird, sondern eine solide einfache Technik. Die Folgekosten für ein gut funktionierendes Aquarium halten sich dann dafür in Grenzen. Lediglich die Energiekosten schlagen etwas höher zu Buche, aber das hängt natürlich von der Größe und Anzahl der Becken ab (ein 180l-Becken verbraucht je nach Ausstattung, Standort und Besatz etwa 36 kWh pro Monat, das sind ca. 10.- Euro).

Sie engagieren sich im Gegensatz zu anderen anerkannten Experten auch im Internet und helfen auch ganz gezielt Anfängern. Welche Probleme sind die Häufigsten?

Zunächst einmal betrachte ich mich nicht als Experten, sondern lediglich als Amateur mit etwas Erfahrung. Diese möchte ich weitergeben, damit sie nicht verloren geht. Das größte Problem bei Anfängern ist, dass sie sich Aquarien und Fische anschaffen, ohne sich vorher genügend zu informieren. Leider gibt es auch viele Zoohändler, die sich nicht genügend Zeit nehmen (können?) um Anfänger richtig zu beraten. Einige schwarze Schafe sind auch wirklich inkompetent oder nur an schnellem Umsatz interessiert. Auch in Büchern und im Internet tauchen immer wieder falsche oder veraltete Informationen auf. Das führt dann oft dazu, dass Aquarien hoffnungslos überbesetzt sind, dass im Verhältnis zum Becken viel zu groß werdende Fische angeschafft werden und dass ein Sammelsurium von Arten zusammengekauft wird ohne Rücksicht auf die sozialen und Einrichtungsansprüche der Tiere zu nehmen. Mein Rat an alle Anfänger lautet deshalb, keiner einzelnen Meinung, Behauptung oder Erfahrung zu vertrauen, auch nicht der von sogenannten Experten oder erfahrenen Aquarianern (mich eingeschlossen), sondern so viele Informationen wie möglich aus verschiedenen Quellen zu sammeln.

Auch in den Aquaristik-Gruppen von sozialen Netzwerken werden oft falsche Ratschläge erteilt oder Becken vorgestellt, die nicht verhaltensgerecht eingerichtet sind, hier finden sich aber meist genügend Kommentatoren, die dann auf die Fehler hinweisen. Deshalb halte ich die Mitgliedschaft in solchen Gruppen und Internetforen für sehr sinnvoll. Allgemein möchte ich jeden Anfänger davon überzeugen, dass ein Aquarium mit nicht zu vielen Arten und nicht zu vielen Fischen, wobei die Fische im Verhältnis zur Beckengröße eher klein sein sollten, auf Dauer nicht nur für die Tiere besser ist, sondern auch dem Aquarianer viel mehr Freude bereitet. Nur ungestört und mit genügend Platz zeigen Fische viele Aspekte ihres natürlichen Verhaltens. Und das Beobachten ist dann auf Dauer sehr viel interessanter ist als nur der Besitz möglichst vieler bunter Tiere.

Welches Image hat die Aquaristik in der öffentlichen Wahrnehmung?

Aquarianer werden von manchen als Einzelgänger gesehen, die mangels sozialer Kontakte ihre Zeit vor einem Glaskasten verbringen. Das stimmt natürlich nicht: Viele Aquarianer engagieren sich in Vereinen oder Arbeitskreisen, und sie haben heute auch noch die Möglichkeit über Facebook und Co. zu kommunizieren. Andere, meist selbsternannte Tierschützer sehen in Aquarianern Tierquäler, die Fische "in Gefangenschaft" halten. Aber auch wenn wir heute noch wenig darüber wissen, zu welchen Gefühlen Fische fähig sind, können sich meiner Meinung nach Fische in einem Aquarium durchaus wohl fühlen, gesund bleiben und ein Alter erreichen, das oft sogar höher sein kann als in der Natur. Dies gilt jedoch nur bei verantwortungsvoller Aquaristik, weshalb es das Bestreben jedes erfahrenen Aquarianers sein sollte, Anfängern und anderen eine tiergerechte Haltung ihrer Pfleglinge nahe zu bringen. Dann kann die Aquaristik auch dazu führen, dass Menschen die Liebe zu Tieren und zur Natur entwickeln und ökologische Zusammenhänge begreifen. K. Lorenz sagt (frei zitiert): "Wir schützen nur das, was wir lieben und wir lieben nur das, was wir kennen". Außer den negativen Einstellungen gibt es aber auch manchmal Bewunderung für die Betreiber unseres Hobbys.

Was machen Sie, wenn sie nicht gerade dem nassen Hobby nachgehen?

Die meiste Zeit meines Arbeitslebens war ich als Projektierer für Cafeterias, Großküchen und Industrieanlagen für die Lebensmittelindustrie tätig. Zur Zeit befinde ich mich in einer Phase der Neuorientierung. In welche Richtung das genau gehen wird, ist aber noch unklar. Im Urlaub betreibe ich meist ein anderes nasses Hobby: Tauchen. Ein weiteres Interesse von mir gilt dem Kochen, wobei ich gerne Gerichte, die ich im Urlaub kennen gelernt habe, für einheimische Zutaten "umbaue". Außerdem lese ich gerne, allerdings meist eher leichte Kost wie Krimis oder Science fiction.

Wir bedanken uns recht herzlich bei Otto Rötter für die Beantwortung unserer Fragen.

Titel: Interview mit Autor Otto Rötter