Begriffe erklärt: Was ist ein Herbarium?
Wer sich für Pflanzen, Botanik oder einfach die Natur im Allgemeinen interessiert, stößt früher oder später auf den Begriff Herbarium. Vielen Menschen ist er vielleicht aus der Schule bekannt, wenn im Biologieunterricht Blätter gesammelt und getrocknet wurden. Doch ein Herbarium ist weit mehr als eine simple Sammlung von Pflanzen. Es ist ein wichtiges wissenschaftliches Instrument, ein wertvolles Archiv der Natur und zugleich ein faszinierendes Hobby für Garten- und Naturfreunde.
Was versteht man unter einem Herbarium?
Ein Herbarium ist eine systematisch geordnete Sammlung von getrockneten Pflanzen, die auf Papierbögen aufgezogen, beschriftet und archiviert werden. Die Pflanzenproben enthalten in der Regel die wichtigsten Teile wie Blätter, Blüten, Früchte und manchmal auch Wurzeln. Sie werden sorgfältig gepresst, getrocknet und fixiert, sodass sie über viele Jahrzehnte, teils Jahrhunderte, haltbar bleiben.
Das Wort „Herbarium“ stammt vom lateinischen herba (Kraut, Pflanze) und bezeichnet im wörtlichen Sinne ein Pflanzenarchiv. Während früher vor allem Botaniker und Wissenschaftler Herbarien nutzten, erfreut sich das Anlegen solcher Sammlungen heute auch im privaten Bereich großer Beliebtheit.
Ein Blick in die Geschichte der Herbarien
Die Geschichte der Herbarien reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. In dieser Zeit begannen Botaniker und Mediziner, Pflanzen nicht nur in Zeichnungen zu dokumentieren, sondern auch in physischer Form zu konservieren.
16. Jahrhundert: Der italienische Botaniker Luca Ghini gilt als Erfinder des Herbariums. Er entwickelte die Methode, Pflanzen zu pressen und auf Papier zu fixieren.
Renaissance: Mit dem Aufkommen der Botanik als eigenständige Wissenschaft gewannen Herbarien an Bedeutung. Sie dienten als Nachschlagewerke und als Vergleichsmaterial für die Pflanzenbestimmung.
18.–19. Jahrhundert: In dieser Epoche entstanden große botanische Sammlungen, die heute in Universitäten und Museen aufbewahrt werden. Viele dieser Herbarien umfassen Hunderttausende von Belegen und sind von unschätzbarem wissenschaftlichem Wert.
Gegenwart: Heute gibt es weltweit Herbarien mit Millionen von getrockneten Pflanzen. Sie dienen der Forschung, dem Naturschutz und der Bildung.
Ein Beispiel für ein berühmtes Herbarium ist das der Royal Botanic Gardens in Kew (England), das über sieben Millionen Exemplare umfasst.
Die Funktionen eines Herbariums
Ein Herbarium erfüllt verschiedene Funktionen, die sowohl für die Wissenschaft als auch für den privaten Gebrauch wichtig sind.
Wissenschaftliche Forschung
Herbarien sind eine unverzichtbare Grundlage für botanische Forschung. Mit Hilfe der gesammelten Pflanzenbelege können Forscher:
- Pflanzenarten bestimmen und vergleichen
- Synonyme und Namensänderungen nachvollziehen
- Verbreitungsgebiete von Pflanzen dokumentieren
- historische Veränderungen in Flora und Umwelt erkennen
Bildung und Lehre
In Schulen und Universitäten sind Herbarien ein beliebtes Lehrmittel. Sie machen Pflanzen greifbar und helfen beim Erlernen botanischer Merkmale.
Naturschutz
Herbarien dienen auch als „Zeitkapseln“ der Natur. Sie bewahren Belege von Pflanzenarten, die vielleicht heute schon ausgestorben sind oder deren Lebensraum stark bedroht ist. So können Wissenschaftler Rückschlüsse auf Veränderungen durch Klimawandel, Urbanisierung oder Landwirtschaft ziehen.
Hobby und Freizeit
Nicht zuletzt ist das Anlegen eines Herbariums ein erfüllendes Hobby. Wer gerne im Garten arbeitet oder in der Natur unterwegs ist, findet im Herbarium eine Möglichkeit, seine Beobachtungen dauerhaft festzuhalten.
Arten von Herbarien
Je nach Zielsetzung lassen sich verschiedene Arten von Herbarien unterscheiden:
Wissenschaftliche Herbarien
- Sehr umfangreich, systematisch geordnet
- Meist in Universitäten, botanischen Gärten oder Museen
- Mit genauen Fundortangaben und Literaturverweisen
Didaktische Herbarien
- Für den Schulunterricht oder die Hochschullehre
- Oft kleiner, mit repräsentativen Beispielen
Private Herbarien
- Von Hobbybotanikern oder Naturfreunden angelegt
- Persönlich gestaltet, oft als kreatives Sammelalbum
Thematische Herbarien
- Fokussieren auf bestimmte Pflanzengruppen, etwa Heilpflanzen, Wildkräuter oder Gartenpflanzen
Wie legt man ein Herbarium an? – Schritt für Schritt
Ein eigenes Herbarium zu gestalten ist nicht schwer, erfordert aber etwas Geduld und Sorgfalt. Hier ein Überblick:
Pflanzensammlung
- Sammle Pflanzen in ihrer vollen Ausprägung (Blätter, Blüten, Früchte).
- Achte auf Nachhaltigkeit: Pflücke nicht zu viele Exemplare und beachte den Naturschutz.
- Vermeide geschützte Arten – sie dürfen weder gepflückt noch gesammelt werden.
Pflanzenpressung
- Lege die Pflanzen zwischen saugfähiges Papier (z. B. Zeitungspapier).
- Presse sie zwischen zwei Brettern mit Gewichten oder einer speziellen Pflanzenpresse.
- Wechsle das Papier regelmäßig, bis die Pflanzen vollständig trocken sind.
Befestigung
- Die getrockneten Pflanzen werden auf stabile Papierbögen (DIN A4 oder größer) geklebt oder mit schmalen Papierstreifen fixiert.
Beschriftung
Jede Pflanze erhält ein Etikett mit:
- Botanischem Namen (und deutschem Namen)
- Fundort, Datum, Sammler
- Eventuell besonderen Beobachtungen (Blütezeit, Standortbedingungen)
Aufbewahrung
- Die fertigen Bögen sollten in Mappen oder speziellen Schränken trocken und dunkel gelagert werden.
- Schutz vor Licht, Staub und Insekten ist wichtig.
Vorteile eines Herbariums
- Langfristige Haltbarkeit: Pflanzen bleiben über Jahrzehnte erhalten.
- Vergleichsmöglichkeiten: Ideal, um verschiedene Arten nebeneinander zu betrachten.
- Ästhetischer Wert: Getrocknete Pflanzen wirken oft dekorativ.
- Wissenserweiterung: Ein praktisches Werkzeug, um Pflanzenkunde zu vertiefen.
Herausforderungen und Grenzen
Natürlich bringt ein Herbarium auch einige Herausforderungen mit sich:
- Pflanzen verlieren beim Trocknen ihre Farben und manchmal auch ihre typische Form.
- Größere Pflanzen oder Bäume lassen sich nur in Fragmenten sammeln.
- Die Sammlung benötigt sorgfältige Pflege, um Schimmel oder Insektenbefall zu vermeiden.
Trotz dieser Punkte überwiegt der Nutzen, besonders für Natur- und Gartenfreunde.
Herbarium im digitalen Zeitalter
Heute werden viele Herbarien digitalisiert. Universitäten und Forschungsinstitute scannen ihre Bestände und stellen sie online zur Verfügung. Dadurch sind Millionen Pflanzenbelege weltweit zugänglich. Digitale Herbarien ermöglichen:
- den Vergleich von Pflanzenbelegen über Ländergrenzen hinweg
- das Studium seltener Arten ohne physische Reise
- eine bessere Archivierung und langfristige Sicherung
Auch für private Sammler bieten sich Möglichkeiten, das eigene Herbarium zu digitalisieren – zum Beispiel durch das Abfotografieren der Pflanzenbögen.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
1. Ist das Sammeln von Pflanzen für ein Herbarium erlaubt?
Ja, aber mit Einschränkungen. Geschützte Pflanzenarten dürfen nicht gesammelt werden. In Naturschutzgebieten gilt ein strenges Sammelverbot.
2. Kann ich ein Herbarium auch mit Gartenpflanzen anlegen?
Natürlich! Ein Herbarium eignet sich hervorragend, um die Vielfalt des eigenen Gartens festzuhalten – von Rosen über Stauden bis hin zu Kräutern.
3. Wie lange hält ein Herbarium?
Bei richtiger Pflege können Pflanzenbelege mehrere hundert Jahre überdauern. Manche historischen Herbarien stammen noch aus dem 16. Jahrhundert.
4. Brauche ich lateinische Namen für mein Herbarium?
Für den wissenschaftlichen Wert sind lateinische Namen wichtig. Im privaten Bereich kannst du aber auch deutsche Pflanzennamen verwenden.
5. Kann ich ein digitales Herbarium statt eines physischen anlegen?
Ja, digitale Herbarien sind eine moderne Variante. Sie lassen sich leicht erstellen und teilen, bieten aber nicht den gleichen haptischen Wert wie ein klassisches Herbarium.
Fazit
Ein Herbarium ist weit mehr als eine Sammlung gepresster Pflanzen – es ist ein Archiv der Natur, ein Werkzeug für die Wissenschaft und ein spannendes Hobby für Garten- und Naturfreunde. Ob du dich für Botanik interessierst, deinen Garten dokumentieren möchtest oder einfach ein Stück Natur für die Ewigkeit bewahren willst: Ein Herbarium bietet dir unzählige Möglichkeiten.
Die Tradition, Pflanzen zu sammeln, zu pressen und aufzubewahren, hat über Jahrhunderte hinweg nichts an Relevanz verloren. Im Gegenteil – angesichts von Biodiversitätsverlust, Klimawandel und Urbanisierung sind Herbarien heute aktueller denn je. Sie helfen, das Wissen über Pflanzenarten zu bewahren, Veränderungen sichtbar zu machen und die Natur besser zu verstehen.
Wenn du also Lust hast, selbst kreativ zu werden, schnapp dir eine Pflanzenpresse, ein paar leere Bögen und starte dein eigenes Herbarium. Es ist nicht nur ein lehrreiches Projekt, sondern auch eine wunderbare Möglichkeit, die Schönheit der Pflanzenwelt mit anderen Augen zu sehen.





