Schrebergarten: Spießig oder voll im Trend?
Der Schrebergarten – ein Ort mit Imageproblemen?
Der Schrebergarten hat in Deutschland eine lange Tradition und war ursprünglich als Erholungsort für Arbeiterfamilien gedacht. Über Jahrzehnte hinweg galten diese kleinen grünen Oasen am Stadtrand als Inbegriff deutscher Spießigkeit: akkurat gestutzte Hecken, Gartenzwerge in Reih und Glied und Parzellen mit einem Regelwerk dicker als das örtliche Telefonbuch. Doch in den letzten Jahren hat sich das Bild stark gewandelt. Immer mehr junge Menschen, Familien, Großstädter und Naturfreunde entdecken den Kleingarten für sich.
Aber wie passt das zusammen? Kann ein Schrebergarten wirklich hip, nachhaltig und modern sein? Oder bleibt das Ganze doch eher ein Refugium für Ordnungsfanatiker und Paragraphenreiter? In diesem Artikel beleuchten wir die Geschichte, die Vorurteile, den Wandel und die aktuelle Bedeutung der Kleingartenkultur in Deutschland – und beantworten die Frage: Schrebergarten – spießig oder voll im Trend?
Der Ursprung der Schrebergärten: Ein Rückblick
Die Ursprünge des Schrebergartens reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Der Leipziger Arzt Dr. Daniel Gottlob Moritz Schreber war ein Befürworter von gesundem Leben, Bewegung an der frischen Luft und Naturerziehung für Kinder. Nach seinem Tod gründete der Schuldirektor Ernst Hauschild 1864 den ersten "Schreberplatz", eine Art Spielwiese für Kinder. Bald darauf entstanden kleine Gartenparzellen für die Eltern – die Geburtsstunde der sogenannten Schrebergärten.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte sich daraus ein deutschlandweites Netzwerk von Kleingartenanlagen, die vor allem in Städten für die Naherholung genutzt wurden. Besonders in der Nachkriegszeit waren Schrebergärten ein wichtiger Bestandteil der urbanen Versorgung mit Obst und Gemüse.
Das Imageproblem: Spießigkeit, Regeln und Gartenzwerg-Ästhetik
Viele assoziieren den klassischen Schrebergarten mit einem übertriebenen Ordnungssinn: Die Hecke darf nicht höher als 1,25 Meter sein, der Rasen muss wöchentlich gemäht werden, Grillen nur zu bestimmten Zeiten, und das Gartenhäuschen darf weder als Wohnsitz genutzt noch zu groß sein. Es gibt oft strikte Regeln, Satzungen und regelmäßige Begehungen durch den Vereinsvorstand.
Diese Reglementierung führte über Jahrzehnte zu einem eher bürgerlichen, konservativen Image: Der "typische" Kleingärtner galt als älter, kontrollfreudig, regelfixiert und wenig offen für Veränderungen. Gartenzwerge, Biergartenmöbel und akkurat gezogene Beete prägten das Bild.
Kein Wunder also, dass jüngere Generationen lange Zeit einen großen Bogen um Schrebergärten machten – zu spießig, zu eng, zu reglementiert.
Die Trendwende: Warum der Schrebergarten wieder boomt
Doch seit einigen Jahren erleben Kleingärten ein echtes Revival. In vielen Städten gibt es mittlerweile lange Wartelisten – zum Teil mit Wartezeiten von mehreren Jahren. Was ist passiert?
1. Urban Gardening und Nachhaltigkeit
Der Trend zur Selbstversorgung, biologischem Anbau und einem nachhaltigen Lebensstil hat viele junge Menschen dazu bewegt, sich wieder mit dem Gärtnern zu beschäftigen. Frisches Gemüse aus dem eigenen Beet, Kompost statt Plastik, Artenvielfalt statt Schottergärten – all das lässt sich in einem Schrebergarten umsetzen. Die Nähe zur Natur wird als Ausgleich zum digitalen Alltag geschätzt.
2. Entschleunigung und Achtsamkeit
In einer immer hektischeren Welt bietet der Garten einen Ruhepol. Die Arbeit mit den Händen, das Beobachten von Wachstum und Jahreszeiten hat für viele etwas Meditatives. Der Kleingarten wird zum Ort der Achtsamkeit, zur persönlichen Wellness-Oase.
3. Kreative Freiräume statt Gartenzwerg-Ästhetik
Viele junge Pächter bringen frischen Wind in die Anlagen. Statt Gartenzwergen und Plastikstühlen sieht man heute Hochbeete, Insektenhotels, kreative DIY-Möbel und Wildblumenwiesen. Die neue Generation Kleingärtner interpretiert die alten Regeln auf ihre Weise – mit Kreativität, aber auch mit Respekt vor der Tradition.
4. Soziale Netzwerke und Community
Schrebergartenvereine werden heute zunehmend als soziale Orte verstanden: Es wird gemeinsam gegrillt, getauscht, gegärtnert und gefeiert. In sozialen Netzwerken wie Instagram oder TikTok teilen junge Gärtner*innen stolz ihre Ernteerfolge oder Dekoideen. Der Garten wird Teil des eigenen Lifestyles.
5. Wohnraummangel und Lebensqualität
Gerade in Städten wie Berlin, Hamburg oder München, wo Wohnraum knapp und teuer ist, bietet ein Kleingarten zusätzlichen Platz im Grünen. Viele Familien nutzen ihre Parzelle wie einen Wochenendgarten – inklusive Kinderpool, Outdoor-Küche und Gemüseanbau.
Spießig oder Trend? Eine Frage der Perspektive
Die Frage „Spießig oder voll im Trend?“ lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt stark auf die persönliche Einstellung an. Wer Spaß an Struktur, Pflanzenpflege und gemeinschaftlichem Gärtnern hat, wird sich im Kleingarten wohlfühlen – unabhängig vom Alter.
Wichtig ist auch die Offenheit der jeweiligen Anlage. Manche Gartenvereine sind tatsächlich noch sehr traditionell geprägt, mit strengen Vorständen und wenig Raum für kreative Entfaltung. Andere hingegen öffnen sich bewusst für neue Zielgruppen, bieten Gemeinschaftsprojekte, naturnahe Gestaltungsideen und fördern einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen.
Die Regeln – notwendiges Übel oder sinnvolle Struktur?
Viele kritisieren die teils strikten Vorgaben in Kleingartenanlagen. Tatsächlich ist der rechtliche Rahmen durch das Bundeskleingartengesetz (BKleingG) vorgegeben, das unter anderem festlegt, dass mindestens ein Drittel der Fläche kleingärtnerisch genutzt werden muss – also für den Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern.
Weitere Regelungen betreffen z. B.:
- Größe und Nutzung des Gartenhäuschens
- Lärmschutz und Ruhezeiten
- Tierhaltung
- Pflege der Parzelle
Diese Regeln dienen dem Erhalt der Kleingartenidee – als Ort der Naherholung und Selbstversorgung, nicht als Wochenenddomizil oder Partylocation.
Allerdings interpretieren viele Vereine diese Regeln mittlerweile moderner und pragmatischer. Gespräche mit dem Vorstand, aktive Teilnahme am Vereinsleben und gegenseitiger Respekt helfen oft mehr als Paragraphenreiterei.
Schrebergarten für Einsteiger: Das solltest du wissen
Wer mit dem Gedanken spielt, einen Kleingarten zu übernehmen, sollte sich im Vorfeld gut informieren:
- Verfügbarkeit: In Großstädten sind viele Anlagen überlaufen. Am besten direkt beim Landesverband oder dem örtlichen Verein nachfragen.
- Kosten: Die Pacht ist vergleichsweise günstig (oft unter 400 € jährlich), dazu kommen Vereinsbeiträge, Strom, Wasser und evtl. eine Ablösesumme für Pflanzen und Hütte.
- Pflichten: Regelmäßige Pflege, Gemeinschaftsarbeit (z. B. Zaun streichen, Wege reinigen) und die Einhaltung der Satzung gehören dazu.
- Vor-Ort-Termin: Ein persönlicher Eindruck vom Verein, den Nachbarn und der Atmosphäre ist Gold wert.
- Geduld: Ein Kleingarten ist kein Schnellschussprojekt. Wer langfristig denkt und bereit ist, sich einzubringen, wird aber reich belohnt.
FAQ: Häufige Fragen rund um Schrebergärten
Wie lange dauert es, einen Schrebergarten zu bekommen?
Das ist stark abhängig von der Region. In Metropolen kann die Wartezeit mehrere Jahre betragen, in ländlichen Gegenden geht es oft schneller.
Darf ich im Schrebergarten übernachten oder wohnen?
Übernachten ist in der Regel erlaubt, dauerhaftes Wohnen hingegen verboten. Die Laube darf nicht zum Wohnhaus ausgebaut werden.
Was kostet ein Schrebergarten?
Die jährliche Pacht liegt meist zwischen 200 und 400 Euro. Hinzu kommen einmalige Kosten beim Einstieg (Ablöse für Laube, Bepflanzung etc.) und laufende Ausgaben für Strom, Wasser und Material.
Gibt es Alternativen zum klassischen Schrebergarten?
Ja. Urban Gardening-Projekte, Gemeinschaftsgärten oder Pachtflächen von Landwirten bieten weniger Regeln, dafür aber oft auch weniger Infrastruktur.
Wie naturnah darf ich meinen Garten gestalten?
Sehr naturnah – das wird heute oft sogar gefördert. Wildblumen, Kompost, Totholzhaufen, Insektenhotels und Verzicht auf chemische Dünger sind absolut im Trend.
Fazit: Vom Spießerimage zur grünen Zukunft
Der Schrebergarten ist weit mehr als ein Relikt aus der Vergangenheit. Er ist ein Ort der Entschleunigung, Selbstversorgung, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit. Ja, es gibt Regeln – aber auch Raum für Kreativität, Begegnung und Naturverbundenheit. Wer bereit ist, sich auf die Kleingartenkultur einzulassen, kann hier nicht nur Tomaten und Zucchini, sondern auch echte Lebensqualität ernten.
Also: Spießig oder voll im Trend?
Ganz klar: Voll im Trend! Der Schrebergarten ist wieder da – und schöner, bunter und vielfältiger als je zuvor.





