Claustrale Gründung: Wie Ameisenköniginnen Kolonien ins Leben rufen

Die Gründung einer Ameisenkolonie beginnt mit einem erstaunlich isolierten Abschnitt im Leben der Königin: Der claustralen Gründungsphase. Dieser Vorgang ist nicht nur biologisch faszinierend, sondern auch ein zentraler Aspekt bei der Haltung vieler Ameisenarten im Formicarium.
Was bedeutet "claustrale Gründung"?
Der Begriff „claustral“ leitet sich vom lateinischen claustrum ab, was „Verschluss“ oder „Abgeschiedenheit“ bedeutet. Eine claustral gründende Ameisenkönigin verschließt sich nach der Begattung vollständig von der Außenwelt und lebt über mehrere Wochen isoliert, ohne Nahrung aufzunehmen. Sie nutzt ausschließlich ihre körpereigenen Reserven, um Eier zu legen, die Brut zu pflegen und damit den Grundstein für eine neue Kolonie zu legen.
Diese Strategie unterscheidet sich deutlich von halbclaustralen oder sozialparasitischen Gründungsformen, bei denen die Königin auf externe Nahrungszufuhr oder bestehende Völker angewiesen ist.
Claustrale Gründung in der Natur
Nach dem Hochzeitsflug – meist an warmen, windstillen Tagen im Sommer – wirft die begattete Königin ihre Flügel ab und sucht einen geeigneten Platz zur Gründung. Dies kann ein Erdspalt, ein verlassener Gang, eine Ritze unter Steinen oder ein morsches Stück Holz sein.
Im Schutz dieser engen Umgebung legt sie ihre ersten Eier. Die Energie dafür stammt aus den Flugmuskeln, die sich nach der Begattung zurückbilden, sowie aus Fettreserven, die während der Larvenzeit und des Hochzeitsfluges aufgebaut wurden.
Die Königin:
- pflegt die Brut selbst, ohne Hilfe von Arbeiterinnen
- nimmt keine Nahrung zu sich
- versorgt die Larven ggf. mit trophischen Eiern (unbefruchtete Eier als Futter)
- wartet, bis die ersten Arbeiterinnen (Naniten) schlüpfen
Diese Naniten übernehmen anschließend die Nahrungssuche und erweitern das Nest – damit endet die Gründungsphase. Eine erfolgreiche claustrale Gründung ist also immer ein Balanceakt zwischen Isolation und Ausdauer.
Umsetzung in der Haltung: Reagenzglasmethode
In der Ameisenhaltung hat sich die sogenannte Reagenzglasgründung als Standardmethode etabliert, um die natürlichen Bedingungen einer claustralen Gründung möglichst exakt zu simulieren.
Ein typisches Reagenzglas für die Gründung wird folgendermaßen vorbereitet:
Wassertank
Ein Drittel des Glases wird mit Wasser gefüllt, das durch einen Wattepfropfen vom restlichen Raum abgetrennt wird. Diese Watte gibt langsam Feuchtigkeit ab und verhindert ein Austrocknen.
Nestkammer
Die verbleibende Fläche dient der Königin als Brutkammer. Am Eingang sorgt ein zweiter Wattepfropfen für Belüftung und verhindert das Entweichen.
Verdunkelung
Das Glas wird mit Alufolie oder Papier umwickelt, um die Königin vor Licht zu schützen – analog zu einem Erdversteck in der Natur.
Platzierung
Das Reagenzglas wird ruhig gelagert und nur minimal bewegt, um Stress zu vermeiden.
Ein großer Vorteil dieser Methode ist die transparente Beobachtbarkeit des gesamten Gründungsprozesses, ohne die Königin zu stören. Die Temperatur sollte artgerecht gewählt werden – für mitteleuropäische Arten meist um die 20–24 °C.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Umzug?
Sobald die ersten Arbeiterinnen geschlüpft sind, beginnt die junge Kolonie damit, Nahrung aufzunehmen. Dann kann das Reagenzglas an ein kleines Formicarium angeschlossen oder in eine Arena gelegt werden, in der erste Ausflüge möglich sind. Das Glas bleibt oft über viele Wochen das Zentrum der Kolonie, bis ein Umzug ins Hauptnest erfolgt.
Wichtig: Der Übergang darf nicht erzwungen werden. Die Tiere entscheiden selbst, wann sie ihr Nest erweitern wollen.
Autorin: Caroline Haller für www.einrichtungsbeispiele.de