Strömung im Riffaquarium: Warum Korallen Bewegung brauchen
In einem natürlichen Korallenriff herrscht niemals Stillstand. Wellen, Gezeiten und Strömungen bewegen unablässig das Wasser, wirbeln Sedimente auf und transportieren Sauerstoff, Nährstoffe und Plankton. Diese dynamische Umgebung bildet die Lebensgrundlage für Korallen, Anemonen und viele andere Bewohner des Riffsystems. In der geschlossenen Welt eines Aquariums muss diese lebenswichtige Bewegung künstlich nachgebildet werden. Strömungspumpen übernehmen hier die Rolle des Ozeans, und ihre richtige Anwendung
Gasaustausch und Sauerstoffversorgung
Korallen und Anemonen sind Tiere, die in engem Austausch mit ihrer Umgebung stehen. Sowohl ihre eigenen Zellen als auch ihre symbiotischen Algen (Zooxanthellen) benötigen eine stetige Versorgung mit Sauerstoff. In der Natur übernehmen Wind und Gezeiten diese Aufgabe – im Aquarium geschieht sie über die Wasseroberfläche und die Umwälzung im gesamten Becken.
Eine gute Strömung sorgt dafür, dass das Wasser ständig in Bewegung bleibt. Nur so kann sich an der Oberfläche Kohlendioxid verflüchtigen, während gleichzeitig sauerstoffreiches Wasser in tiefere Zonen gelangt. Fehlt diese Bewegung, entstehen in ruhigeren Bereichen Sauerstoffmangelzonen, die den Stoffwechsel der Tiere beeinträchtigen.
Nährstoffversorgung und Stoffwechsel
Korallen und Anemonen sind keine Pflanzen, auch wenn sie mitunter so aussehen. Sie sind Tiere, die aktiv Nahrung aufnehmen. Ihre symbiotischen Zooxanthellen leben im Gewebe der Wirte und betreiben Photosynthese, wodurch sie Zucker und Sauerstoff produzieren. Diese Symbiose liefert einen Großteil der benötigten Energie, ersetzt aber nicht die Nahrungsaufnahme über die Tentakel.
Die Polypen fangen feine Partikel, Plankton und gelöste organische Stoffe aus dem Wasser. Damit diese Nährstoffe überhaupt an das Tier gelangen, ist eine ständige Wasserbewegung notwendig. Bei zu schwacher Strömung bildet sich um das Gewebe eine stagnierende Grenzschicht, in der kaum Austausch stattfindet. Dadurch kann es zu lokalen Nährstoffdefiziten kommen. Erst eine kräftige, aber wechselnde Strömung durchbricht diese Schicht und bringt ständig frische Stoffe heran.
Gleichzeitig sorgt Strömung dafür, dass Stoffwechselprodukte wie Schleim oder Ammonium abtransportiert werden. Bleiben solche Substanzen direkt am Tier haften, kann dies zu Reizungen oder Gewebeschäden führen. In gut durchströmten Bereichen bleiben die Polypen weit geöffnet, zeigen intensive Farben und wirken vital.
Strömung und Gewebeaufbau
Weniger bekannt, aber ebenso bedeutsam ist die mechanische Rolle der Strömung für den Gewebeaufbau. Korallen und Anemonen sind von Natur aus an bewegtes Wasser angepasst. Der konstante Druck und die Reibung fördern die Ausbildung eines stabilen, widerstandsfähigen Gewebes.
In Regionen mit starker Brandung zeigen Korallen besonders dichte Skelette und feste Polypen. Diese Anpassung an Bewegung stärkt ihre Struktur und Widerstandskraft. Fehlt die Strömung im Aquarium, kann das Gewebe empfindlicher werden, wodurch die Tiere anfälliger für bakterielle Infektionen oder Temperaturschwankungen sind. Eine gut abgestimmte, pulsierende Wasserbewegung dagegen unterstützt Durchblutung, Stoffwechsel und Regeneration.
Unterschiedliche Strömungsformen und ihre Wirkung
In der Meerwasseraquaristik unterscheidet man zwischen laminaren und turbulenten Strömungen. Eine laminare Strömung bewegt sich gleichmäßig in eine Richtung, während turbulente Strömung unregelmäßig und wechselhaft ist. In der Natur herrscht fast ausschließlich Turbulenz – und genau das entspricht den Bedürfnissen von Korallen und Anemonen.
Eine einseitige, gleichförmige Strömung kann dazu führen, dass nur eine Seite des Tiers ausreichend versorgt wird, während die andere im „Windschatten“ liegt. Zudem begünstigt monotone Strömung die Bildung von Ablagerungen auf dem Bodengrund. Eine wechselnde Bewegung verhindert das, indem sie ständig neue Richtungen einschlägt.
Moderne Strömungspumpen bieten heute vielfältige Steuerungsmöglichkeiten. Wellenprogramme, Zufallsmodi oder gegenläufige Pumpen erzeugen natürliche, oszillierende Bewegungen. Als Faustregel gilt: Das Beckenvolumen sollte pro Stunde mindestens 20- bis 40-fach umgewälzt werden. Bei anspruchsvollen SPS-Korallen darf dieser Wert deutlich höher liegen.
Standortwahl und artspezifische Ansprüche
Nicht alle Arten vertragen dieselbe Intensität der Wasserbewegung. Weichkorallen wie Sarcophyton, Sinularia oder Xenia bevorzugen meist moderate, stetige Strömung. Zu starke Wasserbewegung führt bei ihnen dazu, dass sich die Polypen nicht vollständig entfalten. LPS-Korallen wie Euphyllia, Trachyphyllia oder Lobophyllia reagieren empfindlich auf direkte, harte Strömung, da ihre fleischigen Gewebe leicht verletzt werden können.
SPS-Korallen wie Acropora oder Montipora hingegen benötigen kräftige, wechselnde Strömungen, um ihre feinen Strukturen mit ausreichend Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Ihre dichten Kalkskelette sind auf solche Bedingungen spezialisiert.
Anemonen zeigen ein besonders dynamisches Verhalten: Sie können sich aktiv im Becken bewegen, bis sie einen geeigneten Standort mit passender Licht- und Strömungsintensität gefunden haben. Eine zu starke Strömung führt dazu, dass sie sich festkrallen oder zurückziehen, während zu schwache Bewegung Wanderungen auslösen kann – ein natürliches Verhalten, das im Aquarium aber sorgfältig beobachtet werden sollte, um Kollisionen mit empfindlichen Nachbarn zu vermeiden.
Gestaltung und Praxis im Aquarium
In der Praxis erfordert die Strömungsgestaltung etwas Feingefühl und Beobachtung. Die ideale Wasserbewegung hängt von Beckenform, Riffaufbau und Besatz ab. Pumpen sollten so platziert werden, dass keine „toten Zonen“ hinter Steinen entstehen. Oft ist eine Kombination aus mehreren kleineren Pumpen besser als eine einzige, starke.
Viele erfahrene Aquarianer richten die Strömung so ein, dass sie eine kreisförmige Bewegung erzeugt: an der Oberfläche in eine Richtung, am Boden in die andere. Andere nutzen wechselnde Programme, die die Strömung im Minutenrhythmus variieren. Wichtig ist, dass die Tiere positiv darauf reagieren – sichtbar durch weit geöffnete Polypen, sauberes Gewebe und stabile Farben.
Auch das Substrat verdient Beachtung: Feiner Sand kann bei zu starker Strömung aufgewirbelt werden, was Wassertrübungen und Ablagerungen auf Korallen verursacht. Hier helfen indirekte Strömungen, bei denen das Wasser gegen Riffstrukturen oder Scheiben gelenkt wird, um die Kraft zu brechen.
Autorin: Caroline Haller für www.einrichtungsbeispiele.de





