Neues Wurzelholz im Aquarium: Darum solltest du es nicht abkochen
Wurzelholz ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Gestaltungselement in der Aquaristik. Egal ob Mangrovenholz, Moorkienholz, Mopani oder Savannenholz – viele Aquarianer setzen es nicht nur als optischen Blickfang ein, sondern auch wegen seiner positiven Wirkung auf das biologische Gleichgewicht im Becken.
Doch ein Thema sorgt immer wieder für hitzige Diskussionen in Foren und unter Aquarienfreunden: Soll man Wurzelholz vor dem Einsetzen ins Aquarium abkochen oder nicht?
Die traditionelle Empfehlung, Holz abzukochen, basiert oft auf der Annahme, dass dadurch Keime, Pilzsporen oder unerwünschte Organismen abgetötet werden und sich das Holz schneller mit Wasser vollsaugt, um nicht aufzuschwimmen. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass das Abkochen nicht nur überflüssig, sondern in vielen Fällen sogar kontraproduktiv sein kann.
In diesem Artikel erfährst du detailliert, warum das Abkochen von Wurzelholz problematisch ist, welche Alternativen es gibt, und wie du dein Holz optimal vorbereitest – ganz ohne die Nachteile des Kochens.
Wurzelholz im Aquarium – mehr als nur Dekoration
Natürliches Habitat nachbilden
In der Natur fallen Äste, Wurzeln und Baumstämme ins Wasser, wo sie über Jahre hinweg langsam verrotten. Während dieses Prozesses werden sie von Mikroorganismen, Bakterien und Aufwuchsalgen besiedelt, die als Nahrungsquelle für viele Fische, Garnelen und Schnecken dienen.
Ein Aquarium, das mit Wurzelholz ausgestattet ist, ahmt diesen natürlichen Lebensraum nach. Fische wie Antennenwelse oder L-Welse raspeln die Holzoberfläche ab und nehmen dabei wichtige Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe auf.
Einfluss auf Wasserwerte
Viele Hölzer, insbesondere Moorkien und Mopani, geben Huminstoffe und Gerbstoffe ins Wasser ab. Diese wirken leicht pH-senkend, hemmen das Wachstum mancher Krankheitserreger und fördern ein gesundes Milieu – besonders in Weichwasseraquarien mit südamerikanischen Fischarten.
Warum wird oft empfohlen, Holz abzukochen?
Das Abkochen von Wurzelholz ist eine Praxis, die vor allem von Einsteigern übernommen wird, weil sie in vielen Ratgebern oder Social-Media-Beiträgen empfohlen wird. Die Hauptargumente lauten:
- Abtöten von Keimen, Bakterien und Pilzsporen
- Vermeidung von Schnecken oder Parasiten
- Schnelleres Absinken durch Wasseraufnahme
- Reduzierung der Abgabe von Gerbstoffen
Das klingt auf den ersten Blick sinnvoll – aber genau hier lauern mehrere Denkfehler. Denn beim genauen Hinsehen zeigt sich, dass das Abkochen in vielen Fällen mehr Schaden als Nutzen bringt.
Die Probleme beim Abkochen von Wurzelholz
Verlust wichtiger Gerbstoffe und Huminstoffe
Huminstoffe sind nicht nur färbende Bestandteile, die das Wasser bernsteinfarben erscheinen lassen, sondern besitzen auch nachweislich gesundheitsfördernde Wirkungen für viele Fische und Wirbellose. Sie unterstützen die Schleimhautbildung, stärken das Immunsystem und können das Risiko bakterieller Infektionen senken.
Beim Abkochen wird ein großer Teil dieser Stoffe in kürzester Zeit aus dem Holz gespült. Das bedeutet: Du entfernst genau jene Inhaltsstoffe, die dein Aquarium gesünder machen könnten.
Zerstörung der Holzstruktur
Holz besteht aus Zellulose, Lignin und anderen organischen Verbindungen, die über lange Zeit im Wasser stabil bleiben können. Durch starkes Erhitzen und schnelles Abkühlen entstehen jedoch Mikrorisse, die die Zersetzungsprozesse im Aquarium beschleunigen können. Das Holz wird brüchiger, weicht schneller auf und muss eher ersetzt werden.
Freisetzung unerwünschter Stoffe
Bei stark erhitztem Holz können Harze, Öle oder andere im Holz gebundene Substanzen schneller gelöst werden. Gerade exotische Hölzer enthalten oft natürliche Abwehrstoffe gegen Insektenfraß, die im Aquarium in hoher Konzentration problematisch sein können.
Die Illusion der „Sterilität“
Ein weiterer Mythos: Durch Abkochen wird das Holz „steril“. Selbst wenn es gelingt, nahezu alle Keime abzutöten, ist dieser Effekt nur von sehr kurzer Dauer. Sobald das Holz im Aquarium ist, wird es von der dort vorhandenen Mikroflora besiedelt – und das ist auch gut so! Eine gesunde, stabile Mikroflora ist entscheidend für das biologische Gleichgewicht im Aquarium.
Gefahr für große Wurzeln
Das Abkochen ist bei kleinen Holzstücken vielleicht noch umsetzbar, bei größeren Wurzeln jedoch kaum praktikabel. Entweder passen sie nicht in den Topf, oder man muss improvisieren, was zu ungleichmäßigem Erhitzen führt.
Was passiert, wenn man Holz nicht abkocht?
Wer sein Wurzelholz nicht abkocht, sondern es einfach gründlich wäscht und im Wasser wässert, profitiert von mehreren Vorteilen:
- Natürliche Einlaufphase: Das Holz wird langsam von nützlichen Bakterien besiedelt.
- Längere Abgabe von Huminstoffen: Das sorgt für gesünderes Wasser.
- Stabilere Struktur: Das Holz bleibt über Jahre hinweg formstabil.
- Weniger Stress für das Ökosystem: Keine plötzlichen chemischen Veränderungen durch abrupt freigesetzte Stoffe.
Alternative Methoden zur Vorbereitung von Wurzelholz
Falls du dir Sorgen um Verunreinigungen oder unerwünschte Mitbewohner machst, gibt es schonendere und effektivere Methoden als das Abkochen.
Gründliches Abbürsten
Mit einer harten Bürste kannst du lose Rindenreste, Schmutz oder Algenreste entfernen. Dabei löst du auch eventuelle Sporen oder kleine Organismen ab, ohne die Holzstruktur zu schädigen.
Langes Wässern
Lege das Holz mehrere Tage bis Wochen in einen großen Eimer oder eine Regentonne mit Wasser. Tausche das Wasser regelmäßig aus. So sinkt das Holz von selbst und gibt schon vor dem Einsetzen einen Teil seiner Gerbstoffe ab.
Abspülen mit heißem Wasser
Statt das Holz zu kochen, kannst du es mit heißem Leitungswasser (60–80 °C) abspülen. Das reduziert Keime, ohne die chemische Struktur stark zu verändern.
Häufige Fragen (FAQ)
Frage 1: Kann ich Holz aus dem Wald ins Aquarium legen?
Antwort: Ja, aber nur, wenn du sicher bist, dass es nicht frisch ist, keine Rinde mehr hat und nicht von harzreichen Bäumen (wie Nadelholz) stammt. Vorher gründlich reinigen und wässern.
Frage 2: Was mache ich, wenn mein Holz im Aquarium weißen Flaum entwickelt?
Antwort: Das ist ein natürlicher Bakterienrasen, der in den ersten Wochen auftritt. Er ist harmlos und verschwindet oft von selbst, besonders wenn Garnelen oder Welse im Becken sind.
Frage 3: Sinkt mein Holz schneller, wenn ich es abkoche?
Antwort: Ja, aber der Effekt ist meist nur temporär. Langes Wässern ist die nachhaltigere Methode.
Frage 4: Gibt es Hölzer, die ich gar nicht verwenden sollte?
Antwort: Ja – stark harzendes Holz (Fichte, Kiefer), behandeltes Bauholz oder frisch gefälltes Holz sind ungeeignet.
Frage 5: Wie lange sollte ich Holz wässern?
Antwort: Je nach Dichte und Größe zwischen einer Woche und mehreren Monaten. Mangroven- oder Mopaniholz sinken oft schneller, Moorkien kann länger brauchen.
Fazit
Das Abkochen von Wurzelholz ist eine gut gemeinte, aber in vielen Fällen kontraproduktive Praxis. Statt wichtige Inhaltsstoffe zu erhalten, werden sie durch das Kochen in kürzester Zeit ausgewaschen. Außerdem wird die Holzstruktur geschwächt und die Illusion einer „sterilen“ Oberfläche ist nur kurzfristig gültig.
Die bessere Lösung ist, Holz gründlich zu reinigen, lange zu wässern und die natürliche Einlaufphase zuzulassen. Auf diese Weise bleibt das Holz länger haltbar, gibt wertvolle Huminstoffe ab und unterstützt die biologische Stabilität des Aquariums.
Wer die Natur als Vorbild nimmt, wird feststellen: In Flüssen und Seen kocht niemand das Holz – und dennoch gedeihen dort unzählige gesunde Lebensgemeinschaften.





