Überbesatz im Aquarium und seine Folgen - Ursachen, Risiken und Lösungen
Viele Aquarianer kennen das Problem: Man steht im Fachhandel, sieht die wunderschönen Fische und möchte am liebsten noch einen oder zwei mehr ins eigene Becken setzen. Schließlich wirken die Tiere in den Verkaufsanlagen so lebendig und zahlreich, dass man leicht den Eindruck bekommt, ein Aquarium könne gar nicht „zu voll“ sein. Doch genau das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Überbesatz im Aquarium zählt zu den häufigsten Ursachen für Stress, Krankheiten und sogar das Sterben von Fischen.
In diesem Artikel erfährst du alles rund um das Thema Überbesatz – von den typischen Ursachen über die oft unterschätzten Folgen bis hin zu praxistauglichen Lösungen. Ziel ist es, dir ein tiefgehendes Verständnis für das biologische Gleichgewicht im Aquarium zu vermitteln, sodass du langfristig gesunde, vitale und artgerecht gehaltene Fische pflegen kannst.
Was bedeutet Überbesatz im Aquarium?
Unter Überbesatz versteht man eine zu hohe Anzahl von Fischen, Wirbellosen oder anderen Aquarienbewohnern im Verhältnis zur Beckengröße, Filterleistung und Wasserqualität. Das bedeutet nicht nur, dass „zu viele Tiere“ vorhanden sind, sondern auch, dass die biologische Belastung des Systems die natürliche Kapazität übersteigt.
Ein 100-Liter-Becken ist beispielsweise nicht automatisch für 30 kleine Fische geeignet, nur weil sie „reinpassen“. Entscheidend ist die Kombination aus folgenden Faktoren:
- Größe und Endgröße der Tiere
- Sozial- und Revierverhalten
- Futteraufnahme und Stoffwechselrate
- Wasserwerte und Filterleistung
- Bepflanzung und Strukturierung des Beckens
Ursachen von Überbesatz im Aquarium
Unwissenheit und falsche Beratung
Viele Einsteiger verlassen sich auf die Faustregel „ein Zentimeter Fisch pro Liter Wasser“. Diese stark vereinfachte Regel ist längst überholt und führt in der Praxis fast immer zu Problemen. Fische haben unterschiedliche Ansprüche und Stoffwechselraten, weshalb pauschale Angaben oft irreführend sind.
Spontankäufe im Fachhandel
Die Farbenpracht eines neuen Schwarmfisches oder die Faszination durch einen ungewöhnlichen Bodenbewohner verleitet schnell zu Spontankäufen. Ohne vorherige Recherche summiert sich so die Anzahl der Tiere.
Zucht im Aquarium
Viele Fischarten, beispielsweise Lebendgebärende wie Guppys oder Platys, vermehren sich sehr stark. Innerhalb weniger Monate kann aus einer kleinen Gruppe ein ganzer Schwarm entstehen.
Fehlendes Verständnis für Sozialverhalten
Einige Arten benötigen große Gruppen, um sich wohlzufühlen. Setzt man davon aber zu viele Tiere ins Aquarium, entsteht ein Überbesatz. Andere Arten wiederum beanspruchen große Reviere und stoßen im überfüllten Becken schnell auf Konflikte.
Falsche Orientierung an Verkaufsbecken
Die Verkaufsanlagen im Zoohandel sind meist sehr dicht besetzt. Viele Aquarianer orientieren sich daran und glauben, dies sei auch im heimischen Aquarium möglich. Dabei handelt es sich dort um kurzfristige Hälterungen mit starker Filterung und hohem Wasserwechsel.
Folgen von Überbesatz im Aquarium
Belastung der Wasserwerte
Je mehr Tiere vorhanden sind, desto mehr Ausscheidungen gelangen ins Wasser. Dies führt zu:
- Erhöhtem Ammonium- und Ammoniakgehalt
- Anstieg von Nitrit und Nitrat
- Schneller sinkendem Sauerstoffgehalt
- pH-Schwankungen
Diese Veränderungen sind für Fische nicht nur belastend, sondern können akut lebensgefährlich sein.
Sauerstoffmangel
Ein überbesetztes Aquarium verbraucht mehr Sauerstoff, als über die Wasseroberfläche oder durch Pflanzen nachproduziert werden kann. Besonders nachts, wenn Pflanzen keinen Sauerstoff, sondern Kohlendioxid abgeben, kann es zu gefährlichem Sauerstoffmangel kommen.
Erhöhter Stressfaktor
Überbesatz bedeutet ständigen Kontakt und Konkurrenz. Dies führt zu Stress, der wiederum das Immunsystem schwächt. Symptome von Stress sind unter anderem:
- hektisches Schwimmen
- blasse Farben
- Verstecken oder Apathie
- Aggressionen gegenüber Artgenossen
Krankheitsanfälligkeit
Durch den geschwächten Organismus sind Fische anfälliger für Krankheiten wie:
- Ichthyophthirius (Weißpünktchenkrankheit)
- Flossenfäule
- Pilzinfektionen
- Bakterielle Erkrankungen
Aggressives Verhalten
Zu viele Tiere in zu engem Raum führen häufig zu Revierkämpfen, Stress bei Schwarmfischen oder gar Verletzungen durch aggressive Arten.
Eingeschränktes Wachstum
Fische, die in zu vollen Aquarien leben, wachsen häufig langsamer oder bleiben kleinwüchsig. Dies ist keine natürliche Anpassung, sondern ein deutliches Zeichen für dauerhaften Stress und Mangelbedingungen.
Verkürzte Lebenserwartung
Letztlich führt Überbesatz fast immer dazu, dass die Tiere deutlich früher sterben, als es bei artgerechter Haltung der Fall wäre.
Wie lässt sich Überbesatz vermeiden?
Sorgfältige Planung
Bevor ein Aquarium besetzt wird, sollte man sich intensiv über die gewünschte Fischart informieren. Dabei spielen folgende Fragen eine Rolle:
- Wie groß wird die Art im Endstadium?
- Welches Sozialverhalten zeigt sie?
- Wie viele Tiere pro Gruppe sind nötig?
- Welche Wasserwerte benötigt sie?
Mit dem Besatzplaner von EB kannst du dir eine Auswahl an für deine Aquariengröße geeignete Zierfische vorschlagen lassen und dich über die Artbeschreibungen im Detail informieren.
Langsames Besetzen
Ein Aquarium sollte niemals von Anfang an vollständig besetzt werden. Stattdessen ist es sinnvoll, die Fischzahl Schritt für Schritt zu erhöhen, damit sich das biologische Gleichgewicht anpassen kann.
Regelmäßige Bestandskontrolle
Besonders bei sich schnell vermehrenden Arten ist es wichtig, den Bestand zu kontrollieren. Gegebenenfalls muss man Tiere abgeben oder an andere Aquarianer weitervermitteln.
Ausreichende Filterleistung
Ein leistungsfähiger Filter kann zwar keinen Überbesatz kompensieren, aber er ist ein wichtiger Faktor, um Schadstoffe zu reduzieren.
Großzügige Beckengröße
Lieber weniger, aber dafür artgerecht halten. Ein kleineres Becken eignet sich besser für Garnelen oder Zwergfische, während größere Arten ein entsprechend großes Aquarium benötigen.
Praktische Lösungen bei bereits vorhandenem Überbesatz
- Abgabe von Tieren: Kontakt zu Aquaristikvereinen, Fachgeschäften oder anderen Aquarianern aufnehmen.
- Zusätzliche Aquarien: Ein zweites oder größeres Becken kann eine gute Lösung sein.
- Reduzierte Fütterung: Weniger Futter bedeutet auch weniger Ausscheidungen. Allerdings löst dies das Problem nur bedingt.
- Stärkere Pflege: Häufigere Wasserwechsel und Filterreinigung können kurzfristig helfen, ersetzen aber keine dauerhafte Lösung.
Häufige Fragen (FAQs)
1. Kann man Überbesatz durch stärkere Filterung ausgleichen?
Nein, auch der beste Filter kann Stress, Sauerstoffmangel und Revierkämpfe nicht verhindern. Filterung verbessert nur die Wasserqualität, nicht das Sozialverhalten der Tiere.
2. Welche Faustregel gilt heute für die Fischanzahl?
Eine pauschale Regel gibt es nicht. Stattdessen sollte man sich an den Bedürfnissen der jeweiligen Art orientieren. Endgröße, Sozialverhalten und Beckengröße sind entscheidend.
3. Ist Überbesatz immer sofort erkennbar?
Nicht unbedingt. Viele Aquarien wirken zunächst harmonisch, doch die Probleme treten schleichend auf: steigende Nitratwerte, blasse Fische, Krankheiten oder Aggressionen.
4. Wie erkenne ich, ob meine Fische unter Stress stehen?
Anzeichen sind hektisches Schwimmen, blasse Farben, häufiges Verstecken oder auffällige Aggressionen. Auch ein stark erhöhter Atemrhythmus deutet auf Belastung hin.
5. Was tun, wenn sich die Fische unkontrolliert vermehren?
Bei Arten wie Guppys hilft es, die Geschlechter zu trennen oder Tiere regelmäßig abzugeben. Eine andere Möglichkeit ist, bewusst Fressfeinde wie größere Raubfische einzusetzen, was jedoch nicht immer artgerecht ist.
Fazit
Überbesatz im Aquarium ist eines der gravierendsten Probleme in der Aquaristik – und zugleich eines der am häufigsten unterschätzten. Während viele Aquarianer denken, dass ein paar zusätzliche Fische dem Becken nicht schaden, zeigt die Praxis das Gegenteil: Gestresste Tiere, schlechte Wasserwerte, Krankheitsausbrüche und eine verkürzte Lebensdauer sind die logische Folge.
Die wichtigste Regel lautet daher: Weniger ist mehr. Ein Aquarium mit einem kleineren, dafür gesunden und harmonischen Besatz wirkt nicht nur optisch attraktiver, sondern erspart auch viel Arbeit und Ärger.
Wer von Anfang an sorgfältig plant, sich über die Bedürfnisse seiner Tiere informiert und den Bestand regelmäßig kontrolliert, hat die besten Chancen, ein stabiles, gesundes und langfristig funktionierendes Ökosystem im Wohnzimmer zu schaffen.




