Die Lebenszyklen der Quallen: Medusen und ihre Lebensdauer

Die meisten Quallen durchlaufen mehrere Stadien, in denen sie völlig unterschiedliche Formen annehmen: Darunter die sessile Polypenform und die freischwimmende Meduse. Dabei kann die Lebensdauer der Medusen von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten oder sogar Jahren variieren.
Kurzlebige Medusen – wenige Tage bis Wochen
Beispiel: Craspedacusta sowerbii (Süßwasserqualle)

Bei dieser Art ist die Medusenform nur eine kurze Episode im Gesamtlebenszyklus. Die Medusen erscheinen meist nur in den warmen Sommermonaten, leben wenige Tage bis Wochen, pflanzen sich geschlechtlich fort und sterben dann wieder ab.
Lebenszyklus:
- Polyp (mehrzellig, sessil): mehrjährig, unauffällig, lebt an Pflanzenteilen oder Steinen.
- Strobilation: Der Polyp schnürt Medusen ab.
- Meduse: getrenntgeschlechtlich, sehr kurzlebig.
- Fortpflanzung: Eizellen und Spermien vereinigen sich → Planulalarve.
- Planula: Sucht neuen Platz → entwickelt sich wieder zum Polypen.
Die Hauptform ist der Polyp – die Meduse dient lediglich der Vermehrung und ist auf günstige Umweltbedingungen angewiesen (Temperatur, Nährstoffe, Licht).

Mittellange Medusenphase – Wochen bis Monate
Beispiel: Aurelia aurita (Mondqualle)
Die klassische Schirmqualle lebt als Meduse meist mehrere Monate. In dieser Zeit schwimmt sie frei im Wasser, nimmt Nahrung auf und vermehrt sich geschlechtlich.
Lebenszyklus:
- Polypenphase: Der Polyp lebt oft über Jahre und kann sich durch Knospung vermehren.
- Strobilation: Polyp bildet durch segmentierte Abschnürung sogenannte Ephyren (Jugendmedusen).
- Ephyra: Entwickelt sich zur erwachsenen Meduse.
- Meduse: frei schwimmend, frisst Plankton, lebt einige Monate.
- Fortpflanzung: Geschlechtlich – Bildung von Planulalarven.
- Planula: setzt sich wieder als Polyp fest.
Diese zyklische Form mit einem langjährigen Polypenstadium und einer mehrmonatigen Medusenphase ist typisch für viele Vertreter der Scyphozoa.
Langfristige Medusenform – mehrere Monate bis Jahre
Beispiel: Cassiopea (Mangrovenqualle)
Auch wenn Cassiopea technisch zur Ordnung der Schirmquallen gehört, ist sie biologisch eine Sonderform. Ihre Medusenform lebt am Boden liegend mit nach oben gerichteten Mundarmen und kann unter günstigen Bedingungen sehr langlebig sein.
Lebenszyklus:
- Polypenform: Seltener dokumentiert, aber vorhanden.
- Strobilation: erfolgt wie bei anderen Schirmquallen.
- Meduse: bleibt oft über Monate bis Jahre bestehen, lebt bodenorientiert.
- Fortpflanzung: sowohl geschlechtlich als auch durch Teilung möglich.
- Planula: entwickelt sich wieder zum Polypen.
Interessant ist hier der Hybridcharakter der Meduse: Sie schwimmt kaum und orientiert sich eher wie ein sessiler Organismus. Die Symbiose mit Algen ermöglicht eine längere Lebensdauer durch kontinuierliche Energiezufuhr aus Photosynthese.
Unsterbliche Quallen – theoretisch unbegrenzte Medusenphase
Beispiel: Turritopsis dohrnii („die unsterbliche Qualle“)
Diese winzige, im Mittelmeer entdeckte Art kann ihren Lebenszyklus bei Stress oder Verletzung umkehren: Aus der Meduse wird wieder ein Polyp – ein bisher einzigartiger biologischer Vorgang.
Lebenszyklus:
- Meduse: frei schwimmend, geschlechtsreif.
- Bei Stress: Rückverwandlung zur Polypenform.
- Polyp: bildet erneut Medusen – der Zyklus beginnt von vorn.
- Biologisch gesehen: potenziell unsterblich, da keine natürliche Alterung im klassischen Sinn bekannt ist.
Diese Fähigkeit nennt sich transdifferenzierung – aus spezialisierten Zellen werden erneut pluripotente Zellen, die sich zu neuen Zelltypen entwickeln können.
Faszinierende Vielfalt
Der Lebenszyklus von Quallen ist ein Paradebeispiel für biologische Anpassung und Plastizität. Während manche Arten wie Craspedacusta sowerbii nur kurz als Meduse erscheinen, verbringen andere wie Cassiopea oder Turritopsis dohrnii Jahre oder sogar ein gesamtes Leben in dieser Form – mit ganz unterschiedlichen Strategien zur Energiegewinnung und Fortpflanzung. Der Generationswechsel zwischen Polyp und Meduse ist dabei ein zentrales Merkmal der Cnidaria und macht die systematische Einordnung und Beobachtung dieser Tiere so spannend wie komplex.
Autorin: Caroline Haller für www.einrichtungsbeispiele.de